Wahlkampf:Frankreichs Morgenröte

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Im Januar werden Frankreichs Sozialisten darüber abstimmen, wer sich von ihnen als Präsident zur Wahl stellen wird. Auch Noch-Amtsinhaber François Hollande könnte sich als Kandidat bewerben. (Foto: Yoan Valat/dpa)

Der Erfolg des streng konservativen François Fillon bei den Vorwahlen der Republikaner beflügelt die Sozialisten. Ein klarer Gegner ermöglicht einen klaren Wahlkampf.

Von Christian Wernicke, Paris

Offiziell schweigt der Palast. François Hollande hütet sich, als Staatsoberhaupt sich zu solcherlei niederen Dingen wie dem vorläufigen Ergebnis der Vorwahlen bei den oppositionellen Republikanern zu äußern. Nur tief drinnen im Élysée erwacht neues Leben. "Seht ihr, nichts geschieht so wie vorgesehen", hat der Sozialist am Sonntagabend per SMS an zwei Vertraute gejubelt. Der Überraschungssieg des konservativen François Fillon am vorigen Sonntag schürt neue Hoffnung bei Frankreichs regierenden Sozialisten: Ein dermaßen rechter Gegner weckt linken Kampfgeist - und neue Begehrlichkeiten: Nicht nur der Präsident, auch sein engster Mitarbeiter und Premierminister Manuel Valls wähnt neue Morgenröte am Horizont des Wahljahres 2017.

Binnen der nächsten drei Wochen, so diktiert es der Wahl-Kalender, muss sich Hollande entscheiden, ob er zur Präsidentschaftswahl im April und Mai nächsten Jahres wieder antritt. Am 15. Dezember schließt die Sozialistische Partei (PS) die Liste ihrer Kandidaten für die im Januar geplanten Vorwahlen der Linken. Hollande, so raunten zuletzt Vertraute, schwanke. Nicht nur die miserablen Sympathiewerte in Umfragen, auch die wider allen Versprechen nicht sinken wollenden Arbeitslosenzahlen ließen einen erneuten Anlauf sinnlos erscheinen: "Ich hoffe, dass er sich diese Erniedrigung erspart", hatte im Oktober sein Freund und Anwalt Jean-Pierre Mignard öffentlich erklärt.

Die Niederlage von Sarkozy wird als Absage an die Mächtigen gedeutet, auch an Hollande

Alle Warnungen der Demoskopen zählen nunmehr wenig. "Das Ergebnis von Fillon zeigt doch, dass Umfragen sechs Monate vor der Wahl nichts besagen", sagt ein Palastberater. Nein, auch der mächtigste Mann im Land hat nicht im Traum erwartet, dass der recht biedere Katholik Fillon die Kampagne der Republikaner anführen werde. Bis zum Sommer hatte Hollande spekuliert, sein Lieblingsgegner und Vorgänger Nicolas Sarkozy werde erneut für die bürgerliche Opposition in die Wahlschlacht ziehen. Dann hatte sich der Sozialist seit September auf Alain Juppé eingestellt, wegen dessen moderaten Profils und seiner Beliebtheit unter gemäßigten Linken wohl der gefährlichste Widersacher des Amtsinhabers. Nun also wird's wohl Fillon, inhaltlich vielleicht der härteste Rechte: "Er hat das klarste Programm", hatte der Präsident schon vor Monaten im Gespräch mit Journalisten anerkannt.

Hollandes Genossen im sozialistischen Parteiapparat begeistern sich regelrecht über Fillon als Gegner. "Das ist der Ultra-Kandidat", frohlockt Jean-Christophe Cambadélis, der Erste Sekretär des PS, "ultra-konservativ, ultra-liberal, ultra gegen die Homo-Ehe, ultra-antisozial!" Ein ideales Schreckgespenst also, das da heranwächst auf der Rechten. Auch Stéphane Le Foll, der Regierungssprecher und einer der Getreusten in der Entourage des Präsidenten, will enttäuschte Hollande-Wähler mit Fillon neu erwecken. "Wacht endlich auf!", ruft er am Dienstag im Interview mit Libération, "das ist die Wiederkehr der Kluft zwischen rechts und links."

Doch es gibt Sozialisten, die Essig in Hollandes frischen Wein gießen. Allen voran im Umfeld von Premier Manuel Valls herrscht eine weniger optimistische Deutung vor. Die Niederlage von Alt-Präsident Sarkozy, der nach seinem dritten Platz im ersten Wahlgang nun endgültig seine Karriere beendete, sei ein Signal auch an den aktuellen Bewohner des Élysée-Palasts. "Sortez les sortants" ("Schmeißt die Amtsinhaber raus!") laute das Motto Millionen verdrossener Franzosen, verbreitet ein Valls-Freund anonym.

Andere Valls-Anhänger äußern ihre Gedankenspiele gegen Hollande sogar öffentlich. Fillon sei es bei der Vorwahl gelungen, sich von seinem früheren Präsidenten Sarkozy abzusetzen, obwohl er ihm fünf Jahre lang als Premierminister treu gedient hatte: "Dasselbe wie Fillon kann auch Manuel Valls schaffen", sagte der PS-Abgeordnete Christian Bataille dem Figaro, "die Wähler werden ihm nicht die Amtszeit von Hollande ankreiden." Seit Wochen gären in Paris die Gerüchte, der sozialdemokratische Premier dränge den Präsident zum Verzicht auf eine zweite Amtszeit - um dann selbst zu kandidieren.

Umfragen weisen Valls unter allen Aspiranten der gemäßigten Linken als den Mann mit den größten Chancen aus. Auch Emmanuel Macron, der parteilose Jungstar, bleibt momentan hinter Valls zurück. Nur - auch der frühere Wirtschaftsminister Macron wähnt seine Aussichten rosiger denn je: Nach einer Niederlage von Alain Juppé bei der republikanischen Stichwahl am Sonntag würde er versuchen, das weite Feld der moderaten Mitte zu besetzen. Genau deshalb hatte Macron seine Kandidatur eilig vorige Woche verkündet: Er wollte gemäßigte Sozialisten davon abhalten, für "den guten Rechten" Juppé zu votieren. Das zumindest scheint geklappt zu haben.

© SZ vom 23.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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