Wahlen in der Türkei:Das sind Erdoğans Herausforderer

Fünf Kandidaten und eine Kandidatin treten an, um die Präsidentschaft in der Türkei zu übernehmen. Amtsinhaber Erdoğan führt in den Umfragen, aber die Opposition von links bis rechts hat neues Selbstvertrauen.

Recep Tayyip Erdoğan

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(Foto: AFP)

Präsident Erdoğan möchte an diesem Sonntag als Präsident der Türkei wiedergewählt werden - und zudem Regierungschef werden. Mit einem erfolgreichen Referendum zur Verfassungsänderung hat er vergangenes Jahr dafür gesorgt, dass dies rechtlich möglich ist. Er bestimmt seit 15 Jahren die Politik seines Heimatlandes: Erdoğan wurde 2003 zum Regierungschef der Türkei gewählt, 2014 wurde er Staatspräsident. Mit seiner Partei, der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), hat er die Türkei in einen beeindruckenden Wirtschaftsboom geführt. Doch inzwischen spaltet der 64-Jährige das Land mit einem zunehmend autoritären und repressiven Kurs. Vor allem seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 werfen ihm viele vor, zu viel Macht an sich zu reißen. Für die Parlamentswahlen ist Erdoğan ein Bündnis mit der ultrarechten MHP eingegangen. Es soll der durch die Abspaltung der İyi-Partei geschwächten MHP den Einzug ins Parlament erlauben und Erdoğan eine absolute Mehrheit im Parlament und in der ersten Runde der Präsidentenwahl sichern. Denn diese ist ihm in beiden Wahlen nicht mehr so sicher, wie es vor einiger Zeit noch aussah.

Muharrem İnce

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(Foto: dpa)

In Umfragen liegt Muharrem İnce an zweiter Stelle hinter Präsident Erdoğan. Er tritt für die sozialdemokratische kemalistische Republikanische Volkspartei (CHP) an. Der 54-jährige schafft es mit seinem volksnahen Auftreten und seinen energischen Reden die Massen zu begeistern. Der frühere Physiklehrer ist ein entschiedener Verfechter des Kemalismus - seine Partei wurde einst von Mustafa Kemal Atatürk gegründet -, doch er hat sich im Wahlkampf auch um die Stimmen der Kurden und Konservativen bemüht. So hat er den Kurden mehr Autonomie versprochen und den von vielen Kurden geschätzten Präsidentschaftskandidaten Selahattin Demirtaş von der HDP im Gefängnis besucht. Er betont aber auch, selbst aus einer religiösen Familie zu stammen und dass seine Mutter Kopftuch trage.

Meral Akşener

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(Foto: REUTERS)

Meral Akşener ist die einzige Frau unter den Herausforderern des amtierenden Präsidenten. Die frühere Innenministerin war Mitglied der ultrarechten MHP, hat die Partei aber 2016 im Streit verlassen und im vergangenen Oktober mit anderen Dissidenten die İyi-Partei (Gute Partei) gegründet. Akşener hat angekündigt, das neue Präsidialsystem wieder abzuschaffen, falls sie Präsidentin wird. Die 61-Jährige hofft vor allem auf Stimmen nationalistischer Wähler. Für die meisten Kurden ist sie als nationalistische Hardlinerin kaum wählbar. Sie erkennt sie bis heute nicht als eigenständige Volksgruppe an. Auch gegenüber syrischen Flüchtlingen vertritt sie einen harten Kurs. Für die Parlamentswahl hat sie sich mit anderen Oppositionsparteien - insbesondere mit der CHP - verbündet, auf eine eigene Kandidatur wollte sie aber nicht verzichten.

Selahattin Demirtaş

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Obwohl er seit eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt, tritt Selahattin Demirtaş für die linke Demokratische Partei der Völker (HDP) als Präsidentschaftskandidat an. Das ist vor allem für Erdoğan eine Provokation. Er wirft dem früheren Menschenrechtsanwalt vor, ein Terrorist zu sein. In Umfragen erreicht der Politiker, dessen Partei sich insbesondere für die Rechte der Kurden einsetzt, um die zehn Prozent. Demirtaş war schon 2014 bei der Präsidentschaftswahl angetreten und hatte mit fast zehn Prozent einen Achtungserfolg erreicht. Im Juni 2015 hatte der 45-Jährige die HDP erstmals ins Parlament geführt - was die AKP die Mehrheit kostete.

Doğu Perinçek

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(Foto: REUTERS)

Der Chef der kleinen linksnationalistischen Vatan Partisi (Vaterlandspartei) kommt in Umfragen regelmäßig auf weniger als ein Prozent der Stimmen. Aber Niederlagen haben Doğu Perinçek höchstens vorübergehend gebremst. Er saß mehrmals im Gefängnis. Als angeblicher Führer einer terroristischen Organisation wurde er etwa 2013 zu 30 Jahren Haft verurteilt, kam aber 2014 wieder frei. Er ist gegen einen Beitritt der Türkei zur EU.

Temel Karamollaoğlu

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Eigentlich hatte Temel Karamollaoğlu, der Vorsitzende der islamistischen Saadet Partisi (Partei der Glückseligkeit) den Ex-Präsident Abdullah Gül dazu bewegen wollen, erneut als Präsidentschaftskandidat anzutreten. Da dieser nicht wollte, entschloss er sich, es selbst zu versuchen. Seine Aussichten sind schlecht, auf mehr als ein paar Prozent der Stimmen dürfte er nicht kommen. Seine Partei steht in der politischen Tradition der Milli-Görüs-Bewegung von Necmettin Erbakan. Die Orientierung der Türkei nach Westen, wie sie etwa der Beitritt in die EU darstellen würde, sieht Karamollaoğlu kritisch.

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