Nur selten spielt die Außenpolitik eine wahlentscheidende Rolle, doch unterschätzen sollte man das Thema nicht: 2002 bescherte das Nein zum Irakkrieg der rot-grünen Regierung wichtige Stimmen, und auch wichtige Herausforderungen für die nächste Bundesregierung sind internationaler Natur. Ob die Rolle Deutschlands in Europa, das Verhältnis zu den USA oder der Umgang mit den Folgen der Globalisierung - kaum ein Themenfeld, in dem nicht Haltung gefragt wäre.
Fast 600 Abgeordnete aus Bund und Ländern haben beim Wahl-Thesentest von Süddeutsche.de mitgemacht. Sie hatten wie Sie die Möglichkeit, zu den von uns formulierten Thesen auf einer Skala von 0 ("Ich stimme absolut nicht zu") bis 100 ("Ich stimme absolut zu") Stellung zu beziehen. Die Zwischenstufen "Ich stimme eher nicht zu", "Ich bin unentschieden" und "Ich stimme eher zu" wurden zur Berechnung durch die Werte 25, 50 und 75 ersetzt. Anschließend berechneten wir für jede Partei den Durchschnitt, das arithmetische Mittel. Je höher dieser Mittelwert, desto größer die Zustimmung der Abgeordneten einer Partei zu einer bestimmten These. Hier die Ergebnisse zu den internationalen Fragen.
Globalisierung: Lob mit Vorbehalt
Der Export schiebt die deutsche Wirtschaft an, gleichzeitig hat die internationale Arbeitsteilung auch Jobs in Deutschland gekostet. Bringt die Globalisierung der Wirtschaft trotzdem vor allem Vorteile? Für diese These kann sich vor allem die FDP begeistern: Der Mittelwert der Liberalen erreicht den Wert 86, die Abgeordneten tendieren also deutlich in Richtung der vollen Zustimmung. Die Union liegt mit 73 dahinter, die SPD-Abgeordneten finden sich mit immerhin mit einem Durchschnitt von 61 auf der Zustimmungsskala.
Unentschieden in der Haltung zur Globalisierung zeigen sich die Grünen: Mit dem Wert 50 liegen sie genau beim Mittelwert der fünfstufigen Skala ("Ich bin unentschieden"), den Piraten ergeht es ähnlich. Die Linke hingegen lehnt diese These eher ab (33). Gerade Abgeordnete aus dem linken Millieu nutzten die Möglichkeit, ihre Antwort in Kommentaren zu erklären - und forderten klarere politische Regeln oder soziale und ökologische Standards. Bei der Union reichte das Spektrum von "Wem hat Wettbewerb je geschadet?" bis hin zu "Globalisierung findet statt, egal, ob wir sie gut finden oder nicht."
Besteuerung von Unternehmen: Schwarz-gelber Mut zur Lücke
Sie tragen Namen wie " Dutch Sandwich With a Double Irish" und helfen internationalen Firmen, die Schwächen des Steuerwesens auszunutzen. Unternehmen dürfen alle legalen Möglichkeiten ausnutzen, um Steuern zu sparen. Doch ist das auch legitim? Wiederum bejaht ein Großteil der antwortenden FDP-Abgeordneten dies, der Durchschnittswert auf der Skala ist 80. Auch die Unionsvertreter finden das in Ordnung (71), hier ist der Tenor der Kommentare eher: Wenn es Lücken gibt, muss die Politik sie schließen.
Anders ist die Argumentation im eher linken Bereich: Legitim ja, moralisch nein, heißt es dort in den Erklärungen. Im Gegensatz zum schwarz-gelben Lager wird auf die moralische Verantwortung von Unternehmen hingewiesen. Entsprechend findet sich bei den Grünen (37), SPD (29) und Linken (27) ein deutlicher Ausschlag in Richtung Ablehnung. Bei den Sozialdemokraten halten dies vor allem die Bundestagsabgeordneten für illegitim.
Verhältnis zu den USA: Das Vertrauen der Union
Die Enthüllung über die Spähprogramme des US-Geheimdienstes NSA haben das transatlantische Verhältnis auf eine Probe gestellt. Sind die USA dennoch ein äußerst vertrauenswürdiger Partner? Die Bejahung dieser Frage fällt, gemessen an der politischen Tradition, leiser als gedacht aus: 72 ist der höchste Durchschnittswert, er wird bei der CDU gemessen. 68 sind es bei der CSU. Auch die FDP findet sich mit 65 im Bereich "stimme eher zu". Unentschieden (53) sind die SPD-Abgeordneten, unentschlossen aber eher abgeneigt die Grünen (42). Noch weniger Vertrauen als die Linke, deren Wert mit 23 von deutlichem Misstrauen zeugt, haben die Piraten: Mit 10 auf der Skala hält man die USA für wenig vertrauenswürdig - was auch den NSA-Enthüllungen geschuldet sein dürfte.
Den Drohnenkrieg der USA halten viele Parteien für eher ungerechtfertigt: Eine Quasi-Komplettablehnung gab es aus dem Lager der Piraten (2 auf der Skala) und den Linken (3), nicht viel mehr Zustimmung gibt es von Grünen (12). Eher ablehnende Antworten gab es auch von der SPD (22), die FDP-Bewertung entspricht einem ins Negative tendierenden Unentschieden (46). Die höchste Zustimmung für die umstrittene Tötung mutmaßlicher Terroristen durch unbemannte Flugobjekte gibt es noch bei CSU (55) und CDU (61), den Parteien also, die den USA noch am meisten vertrauen.
Die Bundeswehr im Ausland: Ende der Abenteuer?
53 Bundeswehr-Soldaten sind bislang in Afghanistan ums Leben gekommen. Bedeutet das, dass mit dem Ende der ISAF-Mission Ende 2014 mit solchen Einsätzen Schluss sein sollte? Die Linke stimmt dieser Aussage fast geschlossen zu (97 auf der Skala), auch die Piraten-Abgeordneten (71) tendieren in diese Richtung. Eher unentschieden, aber einer solchen Haltung zugeneigt: SPD und Grüne. Am wenigsten Sympathie findet die These bei den Parteien der schwarz-gelben Koalition mit um die 30 (Richtung "stimme eher nicht zu").
Deutschland in Europa: Heftige Reaktion der CSU
Ein Vorschlag, der zur Stabilisierung Europas häufig zur Sprache kommt: Die Nationalstaaten müssten mehr Kompetenzen an die Europäische Union abgeben. Von der Idee, dass Deutschland mittelfristig den Brüsseler Institutionen mehr Macht überträgt, zeigen sich vor allem die Grünen überzeugt (68). Ebenfalls eher zustimmend bewerten diese Aussage SPD (59), Piraten (58) und die Linke (55). Nicht so begeistert wirken hingegen Abgeordnete von FDP (41) und CDU (39). Die größte Ablehnung zeigen die Freien Wähler (18) und die CSU (13). Die Bayern weichen in ihrer Meinung bei keinem anderen Thema so weit von der Schwesterpartei ab. In fast allen Kommentaren, mit denen die Politiker ihr Abstimmungsverhalten begründen konnten, wünschen sich die Abgeordneten aber im Gegenzug zu einer möglichen Kompetenzabtretung eine entsprechend starke parlamentarische Kontrolle.
Moral in der Außenpolitik: theoretisch wünschenswert
Das Kriegswaffenkontrollgesetz regelt den Rahmen, in dem die Bundesregierung Exporte von Kriegswerkzeug genehmigt. Zum Beispiel dürfen deutsche Firmen keine Waffen liefern, wenn ein Land diese für einen Angriffskrieg verwendet, Kriterien wie die Einhaltung der Menschenrechte spielen eine Rolle. Doch sollten Waffenlieferungen an Staaten, deren politisches System dem westlichen Demokratieverständnis widerspricht, verboten werden?
Fast überall findet diese Aussage Zustimmung: Piraten und Linke (je 96), Grüne (90) und SPD (80) tendieren deutlich in diese Richtung. Eher unentschieden zeigten sich die Abgeordneten von Union (54) und FDP (49). Allerdings ist die Frage durchaus interpretierbar - zum Beispiel die Einschätzung, was "unserem Demokratieverständnis" widerspricht. Die Linken positionieren sich hier am eindeutigsten: Sie fordern fast geschlossen ein generelles Waffenexport-Verbot.
Auch bei der Aussage, dass Menschenrechtsfragen bei Beziehungen zu anderen Staaten eine größere Rolle als Wirtschaftsfragen spielen sollten, zeigt sich die Linke geschlossen: Der Mittelwert liegt hier bei 94 in etwa so hoch wie bei den Piraten (95) und Grünen (92). Auch in der SPD kann man sich mit dieser These anfreunden (86). Union und Liberale stimmen der Aussage ebenfalls zu, allerdings liegen die Abgeordneten dieser Parteien im Mittel näher an der Antwort "Ich bin unentschieden" (FDP 62, CDU 56, CSU 54).