Wahl in Venezuela:Chávez' Revolution geht weiter

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Präsident Chávez gewinnt die Wahl in Venezuela, weil sich sein sozialdemokratischer Konkurrent Capriles als zu schwach erweist. Der Unterlegene räumt die Niederlage ein, Chávez will bis 2019 weiterregieren. Die Frage ist, ob er das gesundheitlich durchhält.

Sebastian Schoepp

Goliath hat doch gewonnen. Sollte seine angeschlagene Gesundheit mitmachen, wird Hugo Chávez sein Land bis 2019 regieren. Zum vierten Mal in Folge ist er am Sonntag mit 54 Prozent der Stimmen zum Präsidenten Venezuelas gewählt worden. Unter dem Jubel seiner in Rot gekleideten Anhänger erschien er kurz nach Mitternacht auf dem Balkon des Präsidentenpalastes Miraflores in Caracas, das Schwert Simón Bolívars in der Hand, des Befreiers von der spanischen Kolonialherrschaft. Auf ihn beruft sich Chávez mit seiner "bolivarischen Revolution", zu deren Festigung er nun bis 2019 Zeit hat.

Hält der krebskranke Präsident das gesundheitlich durch, wird er mehr als 20 Jahre an der Macht gewesen sein. "20 Jahre sind doch gar nichts", zitierte Chávez dazu passend einen Tango-Klassiker, den in Lateinamerika jeder kennt. Es ist unter anderem diese Form von Folklore im richtigen Moment, die den 58-Jährigen im Volk so beliebt macht.

Die hohe Wahlbeteiligung von mehr als 80 Prozent wertete der Staatschef in seiner Ansprache als Beweis für die Stärke der Demokratie in Venezuela. Sein Herausforderer Henrique Capriles Radonski brauchte nur wenige Minuten, um seine Niederlage anzuerkennen - und damit letztlich auch die Korrektheit der Wahl. "Ich respektiere den Willen des Volkes", sagte der 40-jährige Jurist am Sonntagabend im Sitz seines Wahlbündnisses, dessen blassblaues Ambiente die Stimmung seiner Anhänger wiedergab.

Viele Capriles-Fans brachen in Tränen aus. Sie hatten sich mehr erhofft als die knapp 45 Prozent, die ihr Kandidat am Sonntag holte. Capriles forderte Chávez auf, seine neue Amtszeit zu nutzen, um endlich Präsident aller Venezolaner zu sein - ein klarer Hinweis auf die Spaltung des Landes durch den Chavismus.

Es war Capriles selbst, der die Wahl mit dem Kampf zwischen David und Goliath verglichen hatte. Nur hat sich der 40-jährige Anwalt, der den Spitznamen "El Flaco", der Dünne, trägt, letztlich doch als zu leichtgewichtig erwiesen, um den Politgiganten Chávez schlagen zu können. Immerhin kam er dem Wechsel näher als jeder andere vor ihm, die Wahl 2006 hatte der Amtsinhaber noch mit mehr als 60 Prozent gewonnen. Capriles hatte sich als "Versöhner" präsentiert, der das Land wieder einen wolle. Sein Programm trug stark sozialdemokratische Züge, als Vorbild nannte er Brasiliens früheren Präsidenten Lula, deshalb war er für Chávez ein schwieriger Gegner.

Capriles ließ sich nicht so ohne weiteres der Oligarchie zuordnen, die Venezuela bis zur Ankunft des Offiziers Chávez in der Politik 1998 in einem Klüngelsystem regiert und ausgeplündert hatte. Capriles präsentierte sich in einer dynamischen Kampagne als Mann der Zukunft, versprach, gegen die extreme Gewaltkriminalität vorzugehen, die vor allem die Besitzenden und die Mittelschicht bedroht, und die Korruption zu bekämpfen, die in der Vetternwirtschaft des "bolivarischen Sozialismus" selbst für lateinamerikanische Verhältnisse beängstigende Ausmaße angenommen hat.

Doch der Amtsinhaber konnte trotz Einbußen weiterhin fest auf seine Stammwählerschaft bauen, die vor allem in den Armenvierteln der Städte lebt, und deren Lebensbedingungen sich unter Chávez im Vergleich zu vorher stark gebessert haben. Darauf verwies der Präsident auch ausführlich bei seinen Wahlkampfauftritten, die wegen seiner Krebserkrankung sparsamer ausfielen als in vergangenen Jahren.

Der Präsident erinnerte daran, dass seine ölfinanzierten Sozialprogramme viele Menschen mit einem Dach über dem Kopf und Verdienstmöglichkeiten versorgt hätten, etwa über regionale Märkte. Dass sich die Armen klar zum "bolivarischen Sozialismus" bekennen mussten, um diese Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen, ist für die meisten ein zu vernachlässigendes Übel. Auch dass Chávez die wichtigsten staatlichen Institutionen des Ölstaates Venezuela unter seine Kontrolle gebracht hat und Investoren mit Enteignungen quält, stört vor allem ausländische Beobachter und die Besitzenden, die ihm autoritären Stil vorwerfen.

Für Chávez ist das alles Teil einer Umverteilungspolitik von oben nach unten. Auch ermöglichte er vielen Armen erstmals in ihrem Leben Zugang zur einer geregelten Gesundheitsversorgung mittels kubanischer Ärzte, mit deren Entsendung das verbündete Castro-Regime auf Kuba Öllieferungen aus Venezuela bezahlt.

Aus Kuba kamen denn auch die ersten Glückwünsche zur Wiederwahl, gefolgt von Grußadressen befreundeter linksgerichteter Regierungen Lateinamerikas. Auch in Teheran und Damaskus dürfte man zufrieden sein, Chávez hat sich stets offensiv geweigert, in die Front der westlichen Staaten einzuscheren, die den Sturz des syrischen Regimes und das Ende des iranischen Atomprogrammes fordert.

In Havanna auf Kuba war Chávez mehrmals wegen seiner Krebserkrankung behandelt worden. Wie schlecht es ihm wirklich geht, ist Staatsgeheimnis, weshalb zahlreiche Verschwörungstheorien im Umlauf sind. Manche Beobachter hatten gezweifelt, ob Chávez überhaupt noch mal zur Wahl antritt. Doch alle Gerüchte über seine angebliche Hinfälligkeit sind spätestens seit Mitternacht vom Tisch - auch wenn Chávez angeschlagen wirkt, aufgedunsen aussieht und schleppend spricht. Er versprach am Sonntag, ein "besserer Präsident als in den vergangenen Jahren zu sein".

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