Waffen-Shopping im Netz:Auktionshaus für Gewehre

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Es spricht einiges dafür, dass sich der 18 Jahre alte Sebastian B. die Schusswaffen für seinen Amoklauf über das Internet besorgte.

Nina von Hardenberg

Die Internetseite eGun begrüßt den Besucher in bunten Farben, die an den Online-Marktplatz Ebay erinnern. Genau wie in dem großen Internet-Auktionshaus kann der Besucher in einer einfachen Suchmaske auf Schnäppchenjagd gehen.

Allerdings wendet sich das Portal an eine ganz spezielle Klientel: eGun will der ,,Marktplatz für Jäger, Schützen und Angler'' sein, heißt es. Statt Beautybedarf, Bücher und Briefmarken bietet die Seite Jagdwaffen, Sportgewehre, Munition und ,,freie Waffen'' an.

In letzterer Kategorie könnte der Amokläufer Sebastian B. die Waffen gefunden haben, mit denen er am Montag in die Schule in Emsdetten eindrang, Schüler verletzte und sich selbst tötete. Die Polizei in Münster stellte bei dem Täter insgesamt drei Schusswaffen sicher. Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich bei zweien um sogenannte Perkussionswaffen, also um nachgebaute Antiquitäten, deren Konstruktionsjahr vor 1870 liegt. Waffen mit einer solch veralteten Technik darf auch ein 18-Jähriger ohne Waffenschein frei kaufen.

Einkaufsliste von ResistantX

Zum Beispiel bei eGun. Die Polizei ermittelte am Dienstag noch, wie der Täter in den Besitz der Waffen kam. Hinweise deuten allerdings auf das Online-Auktionshaus. Denn dort kaufte ein Internetnutzer Namens ,,ResistantX'' in den vergangenen Wochen verschiedene Waffen sowie ein Paket Zündschnüre und Rauchpatronen.

Auch Sebastian B. nannte sich im Internet ResistantX. Suchanfragen zu diesem Namen, die noch am Montag eine ganze, lange Einkaufsliste aufdeckten, ergeben auf der Seite inzwischen keine Ergebnisse mehr. Und eGun selbst war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

,,Die Waffe funktioniert wirklich, mit etwas Schwarzpulver gestopft steht sie in Wirkung und Leistung jeder scharfen modernen Waffe in nichts nach'', hieß es in einem Angebot für eine Vorderladerpistole, die der Nutzer ResistantX am 22.Oktober für 116 Euro ersteigerte.

Auch Experten zweifeln nicht an der Gefährlichkeit solch antiker Waffen. Gleichwohl warnen sie vor einer Verschärfung der Gesetze. ,,Man muss aufpassen, dass man mit den Verboten nicht über das Ziel hinausschießt'', sagt Wolfgang Dicke, Waffenexperte der Gewerkschaft der Polizei. Denn in den europäischen Nachbarländern sind die Waffengesetze schon jetzt weniger streng als zum Beispiel in Deutschland.

Ende der nationalen Überwachungsmöglichkeit

Unklar ist bislang auch noch, wie der Täter in den Besitz des dritten Gewehrs kam - nach Einschätzungen der Polizei ist dies ein erlaubnispflichtiges Kleinkalibergewehr, das nachträglich gekürzt wurde. Für diese Waffe hätte Sebastian B. eine Waffenbesitzkarte gebraucht. Doch die Polizei hatte dem Jungen bereits im Juli eine Waffe abgenommen.

Deswegen hätte er sich an diesem Dienstag wegen unerlaubten Waffenbesitzes vor dem Jugendrichter in Rheine verantworten sollen. Dass sich Sebastian B. auch diese Waffe im Internet besorgte, will Waffenexperte Dicke nicht ausschließen. Mit dem World Wide Web sei der Handel unübersichtlicher geworden. ,,Wir reden vom Internet. Da enden die nationalen Möglichkeiten der Überwachung.''

,,Ein normaler Mensch kommt nicht so leicht an eine Waffe'', glaubt hingegen ein Sprecher des Landeskriminalamts Bayern. Dies gelte auch für das Internet. Auch da dürfe ein Verkauf prinzipiell immer nur zwischen zwei Besitzern von Waffenscheinen stattfinden.

Wer illegal an Waffen kommen wolle, müsse über Kontakte in der Szene verfügen. Die Erfahrung aus vergangenen Amokläufen wie am Erfurter Gutenberg-Gymnasium oder in Bad Reichenhall habe aber gezeigt, dass jugendliche Täter die Waffen meist nicht illegal besorgten, sondern sie vielmehr von ihren Eltern entwendet hätten. Diese hatten jeweils über Waffenscheine verfügt.

© SZ vom 22.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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