VW-Urteil:Aus Frust ein Exempel

Das Strafmaß gegen den VW-Ingenieur ist unverhältnismäßig.

Von Claus Hulverscheidt

Oliver S. hat sich an einer Straftat beteiligt. Er hat die US-Behörden wiederholt über den Schadstoffausstoß von VW-Dieselmotoren belogen und damit, statistisch gesehen, den Tod Duzender Herz- und Lungenkranker mitverschuldet. Man kann darüber streiten, wie seriös solche Zahlen amerikanischer Öko-Aktivisten sind. Sie öffnen aber den Blick dafür, dass die Tat von S. nicht folgenlos war und er zu Recht verurteilt wurde.

Das Strafmaß von sieben Jahren Haft allerdings ist völlig unverhältnismäßig. Es speist sich aus dem Frust des Richters Sean Cox darüber, dass der Polizei bisher nur kleine Fische ins Netz gegangen sind. Um dennoch ein Exempel statuieren zu können, hat er S. und dessen Ex-Kollegen James L. zu "Schlüsselfiguren" des VW-Skandals erklärt. Selbst die Staatsanwaltschaft hält das für abwegig.

Im Prozess gegen L. zählte Cox minutenlang auf, was alles für den Angeklagten spricht: sein tadelloses Vorleben, die Reue, seine Mitarbeit bei der Aufklärung. Bei der Strafzumessung jedoch spielte all das plötzlich keine Rolle mehr. Was aber ist das für ein Rechtsverständnis, wenn sich Strafe nicht an individueller Schuld bemisst, sondern Mitläufer stellvertretend für ein von anderen zu verantwortendes, schändliches System den Kopf hinhalten müssen? Wie viele Jahrzehnte Gefängnis will Cox aufrufen, sollte er eines Tages doch noch der tatsächlich Verantwortlichen des Skandals habhaft werden?

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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