Vorwurf gegen US-Diplomat:Bolivien weist US-Botschafter aus

Lesezeit: 3 min

Boliviens Präsident Morales wirft US-Diplomat Goldberg Verschwörung mit Gegnern, Sabotage von Gasleitungen und Plünderungen vor. Er muss das Land verlassen.

Peter Burghardt

Der amerikanische Diplomat Philip Goldberg hat Erfahrung mit zerfallenden Staaten, er war in den vergangenen Jahren in Bosnien und im Kosovo auf Posten. Seit 2006 dient Goldberg als US-Botschafter in La Paz, Bolivien. Doch die Gastgeber wollen diese Etappe nun beenden, sie sind seiner überdrüssig.

Boliviens Präsident Morales hat sich für die Ausweisung des US-Botschafters entschieden (Foto: Foto: Reuters)

"Ohne Angst vor dem Imperium erkläre ich den Herrn Goldberg heute zur persona non grata", gab Boliviens Präsident Evo Morales am Mittwoch bekannt. Sein Außenminister David Choquehuanca solle dem Vertreter Washingtons offiziell mitteilen, dass er so schnell wie möglich das Land zu verlassen habe. "Wir wollen keine Leute, die sich gegen unsere Demokratie verschwören und die Teilung voran treiben", erläuterte Morales. Das State Department weist solche Vorwürfe zwar als "haltlos" zurück. Goldberg aber wird ausgewiesen und der Kampf um die chronische instabile Republik im Herzen Südamerikas immer chaotischer.

Die Regierung wirft dem Gesandten der Großmacht vor, die rebellischen Provinzen zu fördern. Jedenfalls traf Goldberg den Rädelsführer Rubén Costas, den Gouverneur von Santa Cruz, das sich wie vier weitere Departments als autonom betrachtet. Costas leitet den Aufstand im fruchtbaren, wohlhabenden und europäisch geprägten Tiefland. Reaktionäre Politiker und Vandalen ziehen dort immer skrupelloser gegen Morales und seine Bewegung für den Sozialismus (MAS) aus dem kargen und indianischen Hochland zu Felde.

Man wünscht "kommunistenfreie Gebiete".

Schlägertrupps der rechtsextremen Jugendvereinigung UJC von Santa Cruz vertrieben gerade die Polizei und verwüsteten Büros von nationaler Steuerbehörde, der verstaatlichten Telefongesellschaft, eines Fernsehsenders und des Instituts für die Agrarreform. Es gab Verletzte, das Telefonnetz brach zusammen. Die Grenzen zu Brasilien und Argentinien sind teilweise gesperrt, auch wollen die Protestierer kubanische und venezolanische Ärzte vertreiben. Man wünsche "kommunistenfreie Gebiete".

Auch in Beni, Pando und Sucre wird blockiert und sabotiert. In Tarija attackierten Aktivisten eine Gaspipeline und trafen damit den Nerv der bolivianischen Wirtschaft. Bolivien ist nach Venezuela der wichtigste Gaslieferant der Region, ohne bolivianischen Gas stünde die brasilianische Großstadt Sao Paulo weitgehend still.

Die Brandstiftung an einem der Rohre verringert die Exportmenge Richtung Brasilien laut des Staatskonzerns YPFB um zehn Prozent und koste die ärmste Nation des Subkontinents an die 100 Millionen Dollar. Das Kabinett Morales spricht von einem "paramilitärischen, faschistischen und terroristischen Attentat" und einem "zivilen Staatsstreich".

Es brennt an allen Ecken, der Triumph des ersten Indios an der Spitze Boliviens beim Referendum vor einem Monat beendete die Kraftprobe keineswegs. Am 10.August stimmten zwar 67 Prozent der Wähler dafür, dass Morales und sein Vize Álvaro García Linera im Amt bleiben sollen. Sie bewiesen damit zweifelsfrei, dass das Gros der 9,5 Millionen Einwohner hinter ihnen und ihrem Versuch steht, "den Wandel zu vertiefen". Der frühere Kokabauer Morales nationalisierte Schlüsselindustrien wie Öl- und Gas.

Vorläufig kein Ausnahmezustand

Den aufmüpfigen Regionen kürzte er die Steuereinnahmen, um statt dessen Alte und Bedürftige zu unterstützen. Demnächst soll in einem Plebiszit über jene Verfassung befunden werden, die Morales im Dezember 2007 unter Ausschluss der Opposition in einer Militärkaserne durchgeboxt hatte. Unter anderem betrachtet die Reform die Rohstoffe als Besitz des ganzen Landes und sieht erweiterte Rechte für die Ureinwohner vor. Die Betreiber können mit einer deutlichen Mehrheit rechnen, doch die mächtigen Widersacher wollen das verhindern.

Gouverneur Costas rechtfertigte die Ausschreitungen in seiner Region, sie seien die Folge von Morales' Plänen. Der Unternehmer Branko Marinkovic aus dem sogenannten Bürgerkomitee von Santa Cruz warnte, die Demonstrationen gingen weiter, "bis Präsident Morales auf seine Ansprüche verzichtet, eine rassistische Verfassung durchzusetzen, die Autonomien respektiert und uns die Einkünfte aus den Bodenschätzen zurück gibt".

Den Ausnahmezustand will Morales vorläufig nicht ausrufen, das würde seinen Gegnern in die Hände spielen. Allerdings drohte das Militär damit, zur Verteidigung öffentlicher Einrichtungen künftig Waffen einzusetzen. Beistand bekommt Morales aus Venezuela, wo sein Verbündeter Hugo Chávez den Rauswurf des US-Botschafters begrüßte und Kampfflugzeuge aus Russland empfing, Caracas und Moskau planen außerdem Seemanöver. Morales traf gerade den Iraner Mahmud Ahmadinedschad. Einen Bruch der Beziehungen mit den USA jedoch wird er kaum riskieren.

© SZ vom 12.09.2008/jtr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: