Vorwürfe wegen Toten vor griechischer Insel:Zweifel am Vorgehen der griechischen Küstenwache

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Push-back - so nennen es die Experten, wenn Grenzschützer Flüchtlinge abschieben, ohne sie je angehört zu haben. Wenn sie beispielsweise Flüchtlingsboote aus griechischen Gewässern einfach wieder aufs Meer hinausschleppen und dort ihrem Schicksal überlassen. Dutzende solche Fälle haben Amnesty International und Pro Asyl im vergangenen Jahr dokumentiert. Die Praxis ist illegal, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2012 geurteilt. Und dennoch, so legen es die Berichte der Menschenrechtler nahe, ist sie weit verbreitet.

Dass es die Praxis gibt, räumte sogar Frontex-Chef Ilkka Laitinen vor nicht allzu langer Zeit ein. "Ich kann nicht bestreiten, dass es diese Fälle gegeben hat", sagte er. Er sprach in der Vergangenheit, doch der Fall Azizi liegt in der Gegenwart.

Länder wie Deutschland, die keine europäische Außengrenzen haben, machen es sich in der Debatte leicht. Flüchtlinge müssen dort Asyl beantragen, wo sie europäischen Boden erstmals betreten haben, in Ländern also wie Spanien, Italien oder Griechenland. Die Landgrenze zur Türkei ist deutlich verstärkt worden, seither versuchen es noch mehr Flüchtlinge auf dem Seeweg. Wie Azizi in jener Nacht auf den 20. Januar.

Relevante GPS-Daten nicht auffindbar

Er erzählt, dass sie es bis wenige Hundert Meter vor die Insel Farmakonisi geschafft hätten. "Ich konnte erkennen, wie die weiße Gischt über die Felsen spülte. Weiter oben waren einzelne Lichter." Dann sei plötzlich die Küstenwache aufgetaucht und habe sie wieder aufs Meer hinausgezogen. Als das Boot zu sinken begann, hätten die Flüchtlinge noch versucht, auf das Schiff der Küstenwache zu gelangen, doch man habe nach ihnen getreten. Nur 16 hätten es auf das rettende Boot geschafft. Azizis Frau und sein Sohn sanken mit dem Fischkutter in die Tiefe.

Nun steht Aussage gegen Aussage. Küstenwachen-Chef Dimitrios Bantias murmelte vor dem griechischen Parlament etwas von "Entschuldigung bei den Flüchtlingen und beim griechischen Volk". Dass das Schiff Kurs in Richtung Türkei genommen habe, so lässt er später verlauten, sei gelogen. Die GPS-Daten der Küstenwache, die Klarheit schaffen könnten, sind nicht auffindbar.

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström spricht derweil von "schwerwiegenden Vorwürfen" - und geht auf Distanz. Frontex habe mit der Aktion nichts zu tun. Zwar arbeiten die Griechen für Frontex, "aber in der tragischen Nacht war es allein eine Aktion der griechischen Küstenwache".

Und Azizi? Wartet. Taucher haben mittlerweile vier Leichen aus dem Wrack vor Farmakonisi geborgen. Seine Frau und sein Sohn könnten unter ihnen sein.

Die Geschichte ist am Donnerstag-Abend um 21.45 Uhr in der ARD-Sendung "Panorama" zu sehen.

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