Vorstandsgehälter:Der Witz von Wolfsburg

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In Zukunft sollen die Gehälter der VW-Vorstände bei zehn Millionen Euro im Jahr gedeckelt werden. Was die Führungsleute beim Autobauer als Zugeständnis feiern, wirft bei Außenstehenden die Frage auf: Haben die aus der Diesel-Affäre denn gar nichts gelernt?

Von Ulrich Schäfer

Nichts, aber auch gar nichts hat man bei Volkswagen verstanden. Der Konzern will - das ist die gute Nachricht - die Gehälter der Vorstände drücken. Nach der Dieselaffäre, diesem großen Betrug, könnte man sagen: endlich! Der Konzern will allerdings die Bezüge im Vorstand bloß auf maximal zehn Millionen Euro im Jahr deckeln. Da stellt sich die Frage, wo, bitte schön, ist da der Deckel?

Zehn Millionen Euro: Das wäre nur dann ein Verzicht, wenn man das maßlose Rekordgehalt von 17,5 Millionen Euro zugrunde legen würde, das einst Martin Winterkorn bezogen hat, der ehemalige Vorstandsvorsitzende; aus Sicht eines normalen Arbeitnehmers aber wäre ein "Deckel" von zehn Millionen Euro für den VW-Chef immer noch exorbitant hoch. Bei allen anderen Vorständen soll die Obergrenze ein wenig niedriger liegen, vermutlich bei vier, fünf oder sechs Millionen Euro (die genaue Summe ist noch nicht bekannt); aber auch das wäre noch extrem viel.

In Wolfsburg ist in den vergangenen Jahren vieles durcheinander geraten, die Moral, das Gespür für Recht und Unrecht, aber auch der Blick auf die Wirklichkeit im Land. VW ist zu einem Unternehmen verkommen, in dem sich jene, die an den Futtertrögen stehen, nehmen, was sie nur können. An den Futtertrögen stehen die Eigentümer-Familien Porsche und Piëch, zwei milliardenschwere Clans; an den Futtertrögen steht das Land Niedersachsen, das von den hohen Dividenden profitiert, die das Unternehmen gezahlt hat; es stehen dort auch die Gewerkschaften, die in Wolfsburg sehr viel Macht haben; an den Futtertrögen stehen aber auch die Führungskräfte - sie erhalten Gehälter, die nun, da die Dieselaffäre die Zukunft von VW gefährdet, in keiner Weise gerechtfertigt sind. Zehn Millionen Euro - für was bitte?

Bei VW hat man sich auf einen Scheinverzicht verständigt

Schon der teilweise Verzicht auf die eigenen Boni ist dem VW-Vorstand im vorigen Jahr ungeheuer schwer gefallen. Man einigte sich am Ende darauf, dass ein Teil der Boni zwar zunächst einbehalten werden kann, aber später - falls VW wieder erfolgreich ist - dann doch größtenteils ausgezahlt wird. Man hat sich also auf einen Scheinverzicht verständigt.

So ähnlich verhält es sich nun mit dem Deckel für die Vorstandsbezüge. Zehn Millionen Euro, wenn das Gehalt des Vorstandschefs auf diese Höhe gedeckelt wird, ist dies weit mehr, als Matthias Müller bislang erhalten hat. Auch die normalen Vorstände bekämen weiterhin so viel wie bisher.

Im Grunde ist dies ein Witz - zumal bei VW auch erwogen wird, die festen Bezüge für die Vorstände zu erhöhen und die Boni abzusenken. So empfiehlt es ein internes Gutachten. Das bedeutet: Ein noch größerer Teil der Millionen fließt in jedem Fall; der variable, vom Erfolg abhängige Teil sinkt hingegen. Die Vorstandgehälter würden also deutlich weniger als bisher vom (Miss-)Erfolg des Konzerns abhängen.

Gewiss, VW ist der größte Autobauer der Welt und konkurriert mit anderen Herstellern um Spitzenkräfte. Aber VW ist auch für einen der größten Betrugsfälle in der jüngeren Industriegeschichte verantwortlich - da täte mehr Demut gut.

Es wird, davon ist auszugehen, über diesen verfehlten Plan von VW eine große öffentliche Debatte geben - zumal in einem Bundestagswahlkampf, der sich sehr stark um das Thema Gerechtigkeit drehen wird, wie die ersten Auftritte des SPD-Kandidaten Martin Schulz zeigen. Es liegt nun an der SPD-Regierung in Niedersachsen und an der IG Metall, diesen Plan zu kassieren und den Vorstand zu mäßigen; ihre Vertreter haben im Aufsichtsrat die Mehrheit. Vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Hans Dieter Pötsch, ist dies nicht unbedingt zu erwarten; er gehörte ja bis zum Auffliegen des Dieselskandals noch selbst dem Vorstand an. Diese Funktion war zuletzt mit gut fünf Millionen Euro dotiert.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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