Vor Parlamentswahlen in Ägypten:Ein Toter bei Protesten in Kairo

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Die Proteste sind wiederaufgeflammt, die Gewalt nimmt zu: Bei Demonstrationen in Ägypten ist ein junger Mann ums Leben gekommen. Auf dem Tahrir-Platz versammeln sich erneut Tausende. Zwei Tage vor den Parlamentswahlen bittet der neue Ministerpräsident al-Gansuri die Oppositionsbewegung, ihm eine Chance zu geben.

Zwei Tage vor Beginn der Parlamentswahl ist es in Ägypten zu weiteren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Am frühen Samstagmorgen zog eine Menschengruppe in Kairo vor das Kabinettsgebäude und protestierte gegen die Ernennung von Kamal al-Gansuri zum neuen Chef der Übergangsregierung. Zudem forderten sie den Rücktritt von Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, dem Vorsitzenden des Militärrates.

Nach dem Wiederaufflammen der Proteste demonstrieren erneute Tausende Menschen auf dem Tahrir-Platz in Kairo. (Foto: dapd)

Mit einer Sitzblockade wollen sie verhindern, dass der vom herrschenden Militärrat ernannte al-Gansuri das etwa 500 Meter vom Tahrir-Platz entfernte Kabinettsgebäude betritt. Die Polizei vertrieb die Menge mit Tränengas. Bei Auseinandersetzungen am Rande einer Sitzblockade wurde ein 21 Jahre alter Aktivist getötet.

Nach Angaben von Augenzeugen eskalierte die Situation, als Teilnehmer einer Kundgebung Steine auf Fahrzeuge der Sicherheitskräfte warfen. Ein Demonstrant wurde demnach von einem wegfahrenden Wagen überrollt. Auch auf dem Tahrir-Platz in der Nähe des Regierungsgebäudes hatten sich in der Nacht wieder Tausende Demonstranten versammelt. Seit Donnerstag galt eigentlich eine Waffenruhe in der Stadt.

Das Innenministerium äußerte Bedauern über den Tod des Demonstranten und sprach von einem Unfall. Die Polizei habe die Protestaktion nicht beenden, sondern lediglich zum Innenministerium hinter dem Kabinettsgebäude fahren wollen, hieß es. Die Beamten seien dann von Demonstranten mit Brandbomben angegriffen worden. Dabei wurden den Angaben zufolge auch Polizisten verletzt. Der Fahrer eines Wagens sei daraufhin in Panik geraten und habe den Demonstranten überfahren.

Al-Gansuri bittet Demonstranten, ihm eine Chance zu geben

Kurz vor Beginn der Parlamentswahlen bittet Ägyptens Führung um ein Ende der Massenproteste. Der neue Ministerpräsident al-Gansuri appellierte an die Demonstranten, ihm zwei Monate lang eine Chance zu geben. Al-Gansuri beklagte sich in einem Interview mit der arabischen Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat, dass Demonstrationen und Sitzblockaden seine Aufgabe nur schwerer machten. Die Demonstranten müssten ihm und der künftigen Übergangsregierung Zeit geben, ihre Forderungen umzusetzen und die anstehenden Aufgaben zu erfüllen.

Die Protestbewegung reagierte unbeeindruckt. Oppositionsgruppen riefen für diesen Sonntag erneut zu Massenprotesten gegen die Ernennung al-Gansuris auf dem Tahrir-Platz auf. Sie fordern, dass das Militär die Macht an eine zivile Übergangsregierung unter Führung von Friedensnobelpreisträger Mohammed al-Baradei übergibt. Die Aktivisten lehnen al-Gansuri als Vertreter des alten Regimes ab. Der heute 78-Jährige war von 1996 bis 1999 Ministerpräsident unter dem im Februar gestürzten Langzeitherrscher Husni Mubarak.

Die Militärführung lud prominente Politiker zum Dialog. Nach einem Bericht des ägyptischen Staatsfernsehens trafen sich al-Baradei sowie der frühere Generalsekretär der Arabischen Liga Amre Mussa am Samstag zu Einzelgesprächen mit dem Chef der Militärführung, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi. Dabei sei über die Lage im Land diskutiert worden. Al-Baradei und Mussa machen sich beide Hoffnungen auf das Präsidentenamt.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton rief das ägyptische Militär zum sofortigen Ende der Gewalt auf. "Das Prinzip des Rechtsstaates muss wiederhergestellt werden", sagte sie laut einer in Brüssel verbreiteten Mitteilung. Die Außenbeauftragte forderte eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle. Die Schuldigen müssten zur Verantwortung gezogen und Verhaftete freigelassen werden. Ashton schloss sich auch der Forderung der Demonstranten nach einer zivilen Regierung an. Bereits zuvor hatten dafür auch die USA plädiert.

Bei den seit einer Woche andauernden Protesten sind mindestens 41 Menschen getötet worden. Drei in Kairo festgenommene US-Studenten sollten noch am Samstag nach ihrer Freilassung das Land verlassen.

© dpa/rtr/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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