Vor den Landtagswahlen im Saarland:Wenn man sich oft und schmerzhaft trifft

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Selten in der deutschen Landespolitik sind Politiker so verfeindet wie im winzigen Saarland. Man läuft sich ständig über den Weg - doch nicht nur das linke Lager liegt im Clinch, sondern auch die Bürgerlichen. Selbst Klassiker wie Rot-Grün scheitern an persönlichen Abneigungen. Letztlich ist wohl nur eine Regierung aus CDU und SPD möglich.

Marc Widmann

Für Psychologen ist die Landtagswahl im Saarland ein hochinteressantes Feld. Hier treffen nicht nur konkurrierende Parteien aufeinander, hier werben auch verletzte Seelen um die Gunst der Wähler: Politiker, die sich seit vielen Jahren kennen und sich gegenseitig so tiefe Wunden geschlagen haben, wie sie selten sind in der deutschen Landespolitik.

Heiko Maas (links) und Oskar Lafontaine bei einem Fernseh-Interview im Jahr 2009: Herzlichkeit ist in der Saar-Politik eher unüblich. (Foto: REUTERS)

Politiker, deren Verhalten man am besten versteht, wenn man diese Verletzungen kennt. Sie führen dazu, dass in dem kleinen Land nach dem 25. März praktisch nur eine große Koalition möglich ist: Weil alle anderen Bündnisse an Feindschaften scheitern.

Rot-Grün zum Beispiel. Der Klassiker unter den linken Bündnissen wäre anderswo sicher das erklärte Ziel von SPD und Grünen, schließlich trennt die Parteien inhaltlich wenig, auch an der Saar. Menschlich aber schon. Am Montag verschickte SPD-Landeschef Heiko Maas eine Pressemitteilung, die einen profunden Einblick in sein Innenleben ermöglicht. Es war eine flammende Suade gegen die Grünen - weil diese es gewagt hatten, öffentlich von einem rot-grünen Bündnis zu träumen. Das sei schon "hart an der Schmerzgrenze", teilt Maas mit. "Wo Grün draufsteht, ist weiter Hubert Ulrich drin", sagt der SPD-Chef. Zuneigung klingt anders, und tatsächlich wird es Maas dem Grünen-Landeschef wohl nie verzeihen, was im Herbst 2009 geschah, rund um die vergangene Wahl.

Eine Absage in letzter Minute

Bis kurz vor Schluss warb die SPD am Telefon noch um Stimmen für die Grünen, in der Hoffnung, gemeinsam die CDU ablösen zu können. Man sah sich als natürlicher Partner. Wochenlang verhandelte Ulrich dann auch mit SPD und Linken - und gab Maas in letzter Minute einen Korb. Lieber schwor er seine Partei mit feurigen Worten auf das bundesweit erste Jamaika-Bündnis ein und hielt die CDU an der Macht. Maas war getroffen, er rang auf einer Pressekonferenz um Fassung, dachte eine Nacht lang an Rücktritt.

Monatelang herrschte Funkstille zwischen ihm und Ulrich. Das einzige Gespräch für lange Zeit endete damit, dass Maas den Grünen-Chef wissen ließ, auf diese Art müsse man gar nicht mehr länger miteinander reden. Die Kluft konnte man sogar sehen im Landtag von Saarbrücken. Auf Wunsch von Ulrich rückten Arbeiter die Tische von Grünen und SPD auseinander, deren Abgeordnete zuvor Seit' an Seit' saßen.

Da hilft es nur wenig, dass die Grünen am Sonntag die ehrgeizige Ex-Umweltministerin Simone Peter auf Platz eins ihrer Landesliste wählten, eine Frau vom linken Flügel. Ulrich nimmt Platz zwei ein. Der ziehe "dahinter weiter selbst die Fäden", sagt Maas. Voller Abscheu.

Auch eine weitere Konstellation eignet sich für die Analyse in einer psychologischen Doktorarbeit. Heiko Maas und Linke-Fraktionschef Oskar Lafontaine verbindet ebenfalls eine lange, schmerzhafte Geschichte. Lafontaine hat Maas einst entdeckt, ihn zum Staatssekretär gemacht. Später hat er ihn nur noch verdeckt, immer dann, wenn Maas gerade zum Sprung nach oben ansetzen wollte.

1999 flüchtete Lafontaine, damals noch in der SPD, von seinem Posten als Bundesfinanzminister, die Saar-SPD verlor die nahe Landtagswahl haushoch, und Heiko Maas verlor seinen Posten als Umweltminister. Fünf Jahre später trat Maas als SPD-Spitzenkandidat an; und wer tauchte wieder auf? Lafontaine. Maas nahm in ihn sein Team auf, wohl oder übel.

Kurz vor der Wahl griff Lafontaine dann Gerhard Schröder und die Bundes-SPD entgegen einer Absprache mit Maas in einem Interview frontal an - und kokettierte mit der Gründung einer neuen Partei. Die SPD verlor wieder haushoch. "Das Einzige, worauf man sich bei Lafontaine verlassen kann, ist seine Konsequenz in der Illoyalität", sagte Maas später.

2009 der dritte Schlag: Lafontaine trat kurz nach der Wahl als Fraktionschef der Linken im Bundestag zurück, um sich ganz dem Saarland zu widmen. Er stellte mal wieder alle in den Schatten und verschreckte die Grünen. "Jetzt macht mir der Oskar schon wieder alles kaputt", soll Heiko Maas gesagt haben. Heute nennt er die Linke schlicht: nicht regierungsfähig. Und Lafontaine zieht öffentlich über "Heikochen" her.

Das Saarland ist ein winziges Land, nur eine Million Menschen leben hier. Man läuft sich ständig über den Weg, besonders in der Politik. Man trifft sich ständig, oft schmerzhaft. Nicht nur das linke Lager liegt im Clinch, auch die Bande der Bürgerlichen, zwischen CDU und FDP, sind gekappt. Schließlich ließ Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) die Koalition im Januar just dann platzen, als FDP-Chef Oliver Luksic gerade im Kreißsaal die Geburt seiner Tochter erlebte. Er verliert seither kein gutes Wort mehr über die CDU-Frau. Er sagt, ihr Stil lasse von bürgerlichen Werten nichts erkennen. Wohl der Beginn einer wunderbaren Feindschaft.

© SZ vom 14.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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