Verteidigungsministerium:Heikle Löschaktion

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Mitten in der Aufarbeitung der Berateraffäre verschwinden Daten vom Telefon der früheren Ministerin. Das ist eine ernste Sache.

Von Boris Herrmann

Wer mag an einen Zufall glauben, wenn die Daten auf dem ehemaligen Diensthandy der ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gelöscht werden, nachdem in einem Untersuchungsausschuss beantragt wurde, genau diese Handydaten als Beweismittel zu sichern? Die Aufregung über diesen Vorgang ist berechtigt. Umso schneller sollte das Ministerium eine nachvollziehbare Erklärung liefern. Die bisherigen Informationsschnipsel haben eher zur Verwirrung beigetragen.

Am Freitag hatte ein Ministeriumssprecher mitgeteilt, das betreffende Handy sei Anfang des Jahres "sicherheitsgelöscht" worden, nachdem die Telefonnummer von der Leyens von einem Hacker im Internet verbreitet worden war. Danach habe sie ein neues Diensthandy erhalten, das bis heute im Ministerium unter Verschluss liege. Im Untersuchungsausschuss hörten Abgeordnete, die sich zur Aufklärung der Berateraffäre in der Bundeswehr für von der Leyens SMS-Speicher interessierten, offenbar eine andere Geschichte. Kürzlich soll das Ministerium mitgeteilt haben, man sei auf der Suche nach dem Gerät; später hieß es, der Pin-Code habe gefehlt, um es zu entsperren; Ende vergangener Woche hieß es dann, das Handy sei im August komplett gelöscht worden. All die Widersprüche mögen nach lustigem Behördenchaos klingen, aber es geht um ein potenzielles Beweismittel in einer heiklen Affäre. Deshalb ist die Sache sehr ernst.

Gefordert wäre jetzt vor allem CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die das Verteidigungsministerium im Juli übernommen hat, also vor der mutmaßlichen Löschaktion. Kramp-Karrenbauer hat die Berateraffäre von ihrer Vorgängerin von der Leyen geerbt. In der Sache ist ihr nichts vorzuhalten, sie muss aber aufpassen, dass die schleppende Aufklärung dieser Sache nicht zu einem Problem für sie selbst wird. Ihr Haus sollte nun umgehend und umfassend klarmachen: Wann und weshalb wurden die Daten auf dem Handy gelöscht? Wer hat die Löschung veranlasst? Und was ist mit den Daten auf dem zweiten Diensthandy, das von der Leyen benutzte?

Spitzenpolitiker regieren gern per SMS. Diese Daten dürfen nicht verschwinden

Der Fall erinnert auch an ein grundlegendes Problem: Spitzenpolitiker simsen in einer rechtlichen Grauzone. Die Vermutung liegt nahe, dass da per Kurzmitteilung auch mal Karrieren beendet, Klimapakete festgezurrt oder Beraterverträge angeleiert werden. Aber für Vermutungen darf an dieser Stelle kein Platz sein. Zur Demokratie gehört, dass die Bürger, vor allem aber die Parlamentarier genau wissen dürfen, wie Regierungshandeln zustande kommt. Dafür gibt es Archive, in denen relevante politische Entscheidungen dokumentiert werden müssen. Was aber in einem Diensthandyspeicher relevant ist, also ins Archiv kommt, und was rein privat ist, also verschwinden kann, das entscheidet offenbar der jeweilige Handynutzer. In einem Land, in dem nicht nur die Kanzlerin mit dem schnellen Griff zum Mobiltelefon regiert, ist das nicht mehr zeitgemäß. Es bedarf klarer Regeln für die Dokumentation von digitaler Kommunikation.

Nicht jeder, der etwas löscht, hat auch etwas zu vertuschen. Aber im Falle von der Leyens hätten die Kurznachrichten auf dem Diensthandy zwingend erhalten werden müssen, um dem Verdacht zu begegnen, es sei etwas verheimlicht worden. Durch die Löschung der Daten hat sich dieser Verdacht eher erhärtet.

© SZ vom 23.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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