Verschleppt:Unfreiwillige Reisen mit unbekanntem Ziel

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Der US-Geheimdienst CIA fliegt Menschen als Fracht quer durch die Welt zu geheimen Gefängnissen - mit Zwischenstopp in Deutschland.

Hans Leyendecker

Früher betrieb der US-Geheimdienst CIA eine eigene Fluggesellschaft, die in den fünfziger Jahren gegründete "Air America". Später leaste die CIA bevorzugt Flugzeuge einer Firma mit dem Namen "Premier Executive Transport Services" (PETS).

Zum Flugzeugpark des Unternehmens gehört eine Boeing 737 BBJ mit der Kennung N 313 P. Die Abkürzung BBJ steht für "Boeing Business Jets", und das ist in diesem Fall wirklich wörtlich zu nehmen: Es geht bisweilen um - sehr schmutzige - Geschäfte.

Das Flugzeug wurde für Verschleppungen von Gefangenen eingesetzt, die später gefoltert wurden. Zwischen dem 11. Januar 2003 und dem 13. Dezember 2004 ist die CIA-Maschine 19-mal auf dem Gelände der US-Airbase in Frankfurt gelandet und gestartet.

Manchmal transportiert die CIA Häftlinge auch mit einer zweistrahligen Gulfstream V von PETS , die in dieser Version Platz für 14 Passagiere hat. Das Geschäftsreiseflugzeug mit der Kennung N379 P ist in der Zeit vom 2. Januar 2003 bis 6. Dezember 2003 siebenmal in Frankfurt gelandet und gestartet.

Vermummte CIA-Agenten

Diese Gulfstream wurde vor ein paar Jahren von der CIA eingesetzt, um zwei ägyptische Asylbewerber von Stockholm nach Kairo zu bringen. Schwedische Agenten berichteten später, dass sie gemeinsam mit vermummten CIA-Agenten an Bord gesessen hätten.

Meist startete die Maschine zunächst vom Dulles Airport in Washington, und oft endete die Reise auf streng abgeschotteten US-Militärbasen irgendwo in der Welt.

Wer und was wurde sonst noch mit der N 379 P transportiert? Es gibt viele Geheimnisse um die CIA-Flüge und wenig Gewissheit. Behörden in Wien haben dieser Tage, wie berichtet, Ermittlungen zu einem verdächtigen Flug von Frankfurt nach Aserbaidschan im Januar 2003 eingeleitet, der über den Luftraum der Alpenrepublik führte.

Österreichs Luftwaffenchef Erich Wolf hat den Verdacht, dass in dem Flugzeug Gefangene transportiert wurden. Es ist eine Ahnung, nicht mehr.

Fest steht, dass US-Dienste in Geheimgefängnissen, die verharmlosend black sites (schwarze Orte) genannt werden, verdächtige Islamisten gefangen gehalten haben und foltern ließen.

Die meisten Folteropfer wurden vermutlich in Flugzeugen herangeschafft. Viele europäische Flughäfen wurden für Flüge von CIA-Maschinen genutzt. Zahlenmäßig an der Spitze stehen Island und Schottland, wo nach Zählungen von Menschenrechtsorganisationen 217 Landungen und Starts registriert wurden.

Spanien registrierte mindestens zehn Landungen von CIA-Maschinen auf dem Flugplatz von Palma de Mallorca. Der Europarat untersucht 31 verdächtige Flüge von Flughäfen in Palma, Larnaka (Zypern), Shannon (Irland) sowie dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in der Pfalz.

Ob in den Flugzeugen Geheimdienstler, Waffen, Material oder auch von der CIA entführte Verdächtige transportiert wurden, ist in den meisten Fällen unklar.

Auch deutsche Behörden tappen im Dunkeln. Ihnen liegen im Wesentlichen Zeitungsberichte über verdächtige Flüge vor, auch gibt es Listen von Landungen und Starts auf der Frankfurt Airbase und in Ramstein, aber mehr nicht.

Flüge in die Kerker

Deutschland sei ein "wichtiges Drehkreuz" für die CIA-Flüge, behauptet der britische Journalist Stephen Grey, der sich intensiv mit den Entführungen verdächtiger Islamisten beschäftigt.

Grey, dessen Berichte auch in den USA beachtet werden, behauptet sogar, dass Deutschland eine Art "Einsatzzentrale" für die Flüge in die Kerker sei. Belastbare Belege hat auch er naturgemäß nicht.

Das Unbehagen bei den Politikern in Europa wächst. Das dänische Außenministerium bat die CIA, bei Flügen, die "nicht mit internationalen Konventionen vereinbar sind," den dänischen Luftraum zu meiden. Auch manchem in Berlin ist unwohl.

"Falls Berichte zutreffen, dass der US-Geheimdienst über Frankfurt Gefangene in Länder unter Folterverdacht fliegen lässt, wäre dies ein schwerwiegender Bruch deutschen und internationalen Rechts", sagt der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle.

Er fordert die neue Bundesregierung auf, "Aufklärung zu verlangen und Washington gegebenenfalls unverzüglich die Nutzung deutschen Luftraums und deutscher Flughäfen zu untersagen".

Die CIA-Maschinen haben übrigens neuerdings einen anderen Besitzer und neue Kennungen: N 4476 S (Boeing) und N 8068 V (Gulfstream). Der Jet mit der neuen Kennung ist im vergangenen Jahr zweimal in Frankfurt gelandet.

© SZ vom 25. November 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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