Vergleichsportale:Vermittler mit Eigeninteressen

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In das Wartezimmer einer Praxis sollten nur geimpfte, genesene oder getestete Patienten dürfen. So wollten es einzelne Ärzte. Doch das änderte sich wieder. (Foto: Ute Grabowsky/imago/photothek)

Der Bundesgerichtshof prüft, ob Ärzte ihr Profil bei Jameda löschen lassen dürfen. Grund sind Zweifel an der Neutralität des Bewertungsportals.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Das Ärztebewertungsportal Jameda ist ein gelungenes Geschäftsmodell, jedenfalls erwecken die selbst verbreiteten Zahlen diesen Eindruck. 275 000 eingetragene Ärzte, zwei Millionen Bewertungen, sechs Millionen Nutzer pro Monat: Vor dem Arztbesuch scrollt der Patient des 21. Jahrhunderts durch die subjektiven Kommentare in der Bandbreite zwischen "unendlich dankbar" und "irgendwie kam ich mir da ziemlich komisch vor". Zum Gelingen des Modells Jameda dürfte auch die freundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beigetragen haben. Im Jahr 2014 räumte der BGH dem freien Austausch über die Erlebnisse beim Arztbesuch den Vorrang vor dem Datenschutz ein. Die Klage eines Arztes, der sein Profil löschen lassen wollte, wurde abgewiesen.

An diesem Dienstag stand Jameda wieder vor dem BGH, aber dieses Mal machte Gregor Galke - damals wie heute BGH-Senatsvorsitzender im Jameda-Verfahren - ein skeptischeres Gesicht. Geklagt hatte eine Dermatologin aus Köln, die ebenfalls raus möchte aus dem Portal. Ihr ist es zu nervig, andauernd gegen anonyme Bewertungen vorzugehen, die ihrer Ansicht nach unzutreffend sind. Bisher ist ein Ausstieg nicht möglich: Laut BGH muss der Arzt es hinnehmen, auch gegen seinen Willen in dem Portal gelistet, benotet und bewertet zu werden. Doch Galkes Bemerkungen im Verlauf der Verhandlungen deuten darauf hin, dass der BGH darüber noch einmal vertieft nachdenken wird.

Denn im Unterschied zu 2014 hat der BGH dieses Mal einen Sachverhalt auf dem Tisch liegen, der - so sieht es der Anwalt der Klägerin - Zweifel an der unbedingten Neutralität des Portals aufkommen lässt. Gelistet werden nämlich zwei Klassen von Ärzten. Wer nicht zu den zahlenden Jameda-Mitgliedern gehört - ein Premium-Paket gibt es ab 59 Euro im Monat -, der muss damit leben, dass unter seinem Eintrag auch die Ärzte in seiner Umgebung angezeigt werden. Die zahlenden Premium-Mediziner dagegen werden nicht von Hinweisen auf die Konkurrenz behelligt. Damit werde Werbung auf Kosten der Nichtmitglieder betrieben, kritisierte Rechtsanwalt Jochen Höger. Jameda habe seine "neutrale Vermittlerposition" verlassen. Ein Vorwurf, den die Portalbetreiber entschieden zurückweisen. Jameda schaffe eben Transparenz und zeige andere Ärzte unabhängig von ihrer qualitativen Bewertung an. "Die Neutralität wird dadurch nicht verlassen", sagte Rechtsanwalt Thomas von Plehwe.

Das BGH-Verfahren zeigt, dass die Juristenschaft inzwischen kritischer mit Vergleichsportalen umgeht, die es ja für nahezu alle Lebensbereiche gibt. Vor drei Jahren hatte das Landgericht München I verfügt, dass Jameda - wenn Ärzte gegen Geld eine Top-Platzierung erhielten - dies als Werbung kennzeichnen müsse. 2016 entschied der BGH, Jameda müsse gegebenenfalls Nachforschungen anstellen, wenn betroffene Ärzte eine Bewertung für unbegründet hielten. Und jüngst veröffentlichte ein einflussreicher Jurist - Wolfgang Büscher, bis vor Kurzem Vorsitzender des BGH-Wettbewerbssenats - einen Aufsatz, in dem er zwischen "neutralen" Portalen und solchen mit "Präsentations- und Werbemöglichkeiten" unterschied. Letztere sollten den dort gelisteten Unternehmern die Möglichkeit gewähren, sich auf dem Portal vollständig löschen zu lassen.

Es könnte also sein, dass der BGH vor einer Korrektur seiner Rechtsprechung steht. Am Anfang stand das Vertrauen in den freien Meinungsaustausch über Arztbesuche, in den Nutzen von Transparenz. Nun gesellt sich die Skepsis hinzu, ob nicht die Gewinnabsichten der Betreiber den Informationswert der Portale trüben. Das Urteil wird am 20. Februar verkündet. Der BGH hat sich ersichtlich noch nicht festgelegt. "Wir sind wirklich in der Werkstatt", sagte Galke.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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