Vatikan:Unheilig

Die Kirche steht vor einer Zerreißprobe.

Von Oliver Meiler

Sie werden gerne als heilig bezeichnet, die vatikanischen Mauern. Vor allem sind sie hoch und dick. Sie sollen alles drinnen behalten, was dahinter verhandelt wird. Auch Unheiliges. In diesen Tagen erscheinen zwei Bücher italienischer Enthüllungsjournalisten, die offenbar Zugang hatten zu geheimem Material aus dem innersten Machtzirkel des Kirchenstaats. Einer der beiden Autoren behauptet, man habe ihm eine Tonaufzeichnung zugespielt, auf der man höre, wie der Papst seine Kardinäle im harschen Tonfall zurechtweise. Ein denkwürdiges Dokument, das belegen soll, dass Franziskus die Kurie gegen alle inneren Widerstände reformieren möchte.

Nun stellen sich viele Fragen. Sollen die Enthüllungen den Reformer stärken? Oder das Tun des Papstes sabotieren? Handelten die mutmaßlichen Informanten aus eigenem Antrieb? Oder sind sie Handlanger einer Lobby? Und falls es diese geben sollte: Will sie den Papst stürzen? Gehörte das unlängst gestreute Gerücht, Franziskus habe einen Hirntumor, zu einem Komplott? Was ist mit dem schwulen Priester, der sich just am Tag vor Beginn der Weltsynode outete?

Mauern fördern nun mal das Spekulieren. Klar ist nur, dass eine Zerreißprobe um die Zukunft der Kirche im Gange ist. Es ist auch ein Gerangel um Macht und Geld, das schon unter Benedikt lief und diesen wohl zum Rücktritt animierte. Keine schöne Geschichte. Und keine heilige.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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