USA und China:Abkühlung beim Rotwein

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In Buenos Aires finden Präsident Trump und Staatschef Xi zu einer vorläufigen Waffenruhe in ihrem Handelskrieg.

Von Christoph Giesen, Peking

Xi Jingping und Donald Trump trafen sich nach dem G 20-Treffen zu einem Arbeitsessen, um Streitigkeiten über die Strafzölle beizulegen. (Foto: Kevin Lamarque/Reuters)

Als die Peak Pegasus am 8. Juni in Seattle in See stach, war der Frachter eines von Tausenden Schiffen, die jeden Tag auf den Weltmeeren verkehren - Boten der Globalisierung, deren Namen niemand kennt. 70 000 Tonnen Sojabohnen hatte die Peak Pegasus geladen. Ihr Reiseziel: die nordostchinesische Hafenstadt Dalian auf der anderen Seite des Pazifiks.

Als die USA und China am 6. Juli neue Strafzölle erließen, konnte die Besatzung schon die Küstenlinie sehen, aber es war zu spät. 25 Prozent Preisaufschlag waren nun für Sojabohnen fällig. Also ließ die Reederei die Peak Pegasus im Gelben Meer kreisen, bald war das Schiff Gesprächsthema in Chinas sozialen Netzwerken. Jede Schleife wurde verfolgt und kommentiert, aus dem anonymen Schiff wurde das Symbol des sich zuspitzenden Handelsstreits zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Erde. Seit dem Frühjahr hatten sich die USA und China gegenseitig mit Strafzöllen überzogen. Kaum legte Washington vor, konterte Peking.

Dieser Zwist könnte sich nun abkühlen. Als die meisten Staats- und Regierungschefs längst abgereist waren, zogen sich US-Präsident Donald Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping nach dem G-20-Gipfel mit ihren Beratern zum Abendessen in ein Luxushotel in Buenos Aires zurück. Bei Steak und argentinischem Rotwein einigten sich die beiden Gruppen nach zweieinhalb Stunden auf eine Art Waffenstillstand. Keine neuen Abgaben, für niemanden.

Erst im September hatte Trump Abgaben auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden verhängt. Da konnte Peking rein zahlenmäßig nicht mehr mithalten, China importierte zuletzt Waren für nur etwa 130 Milliarden Dollar aus den Vereinigten Staaten. China reagiert also mit neuen Zöllen in Höhe von 60 Milliarden Dollar, seitdem sind beinahe alle amerikanischen Einfuhren mit Abgaben belegt.

In den vergangenen Wochen hatte Trump angedroht, weitere Importe im Wert von 256 Milliarden Dollar mit Sonderzöllen belegen zu wollen, wenn China den USA nicht entgegenkommt. Nun klang der US-Präsident deutlich moderater: "Es war ein erstaunliches und produktives Treffen mit unbegrenzten Möglichkeiten sowohl für die USA als auch China", sagte Trump in Buenos Aires. Nach Angaben des Weißen Hauses ist der Handelsfrieden mit einer Frist verknüpft, in der China weitere Konzessionen machen muss. Trumps Sprecherin Sarah Sanders zufolge wollen beide Seiten versuchen, ihre Differenzen innerhalb von 90 Tagen zu beseitigen. Wenn bis dahin keine Einigung erzielt werden könne, würden die USA ihre Pläne für eine Erhöhung der Abgaben auf Importe aus China umsetzen.

China habe sich im Gegenzug bereit erklärt, eine nicht näher vereinbarte, "aber sehr bedeutende Menge" an Produkten aus der Landwirtschaft, dem Energie- und Industriesektor sowie anderen Wirtschaftszweigen aus den USA zu importieren, berichtete Sanders. So soll offenbar das große amerikanische Handelsdefizit zu China verringert werden.

Die Handelslücke ist aber nur eines der Probleme zwischen den Weltmächten. Das zweite heißt: "Made in China 2025" - ein groß angelegter Staatsplan für eine ganz neue Welle der Industrialisierung. Bei Autos und Zügen, im Flugzeugbau, der digitalisierten Produktion und in der Pharmaindustrie - überall soll die Volksrepublik bald führend sein. An Geld fehlt es dafür nicht: Der Staat hilft mit Forschungsförderung, Entwicklungsbanken und extra eingerichtete Fonds versorgen die ausgewählten Branchen mit günstigen Krediten. Das hilft vor allem beim Kauf von ausländischen Konkurrenten. Unfairer Wettbewerb, wie man in Washington findet, genauso übrigens wie in Brüssel und Berlin.

Auch darum wird es in den kommenden 90 Tagen gehen. Die neuen Verhandlungen sollen sich mit "strukturellen Veränderungen" hinsichtlich zwangsweisem Technologietransfer, Urheberrechtsschutz, Marktbarrieren, Cyber-Attacken, Dienstleistungen und Landwirtschaft beschäftigen, erklärte Trump-Sprecherin Sanders. Chinas Außenminister Wang Yi bestätigte die Vereinbarung, erwähnte aber die Frist von 90 Tagen nicht. Er sprach von einer "wichtigen gemeinsamen Übereinkunft" und "sehr positiven und konstruktiven" Gesprächen.

Für die Peak Pegasus kommt die Annäherungzu spät. Mitte August ließen Betreiber die Ladung teuer löschen: Gut sechs Millionen Dollar Zoll fielen für die Sojabohnen an. Dazu rund 400 000 Dollar Mehrkosten für das wochenlange Kreisen auf hoher See.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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