USA:Trumps Putin-Paradox

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Auch in der jüngsten Krise folgt die Russlandpolitik des amerikanischen Präsidenten einem Muster: Hart in der Sache, aber ohne ein Wort der Kritik am Kreml. Ist das nun Strategie - oder Planlosigkeit?

Von Alan Cassidy, Washington

Einige amerikanische Medien führen eine Liste mit Personen, die Donald Trump kritisiert oder beleidigt hat, vor und nach seiner Wahl zum US-Präsidenten. Sie wird von Woche zu Woche länger, nur der Name des russischen Präsidenten Wladimir Putin findet sich nicht darauf. Auch nachdem die USA am Montag die Ausweisung von 60 russischen Diplomaten verfügt hatten, blieb Trump stumm. Und so zeigt sich immer deutlicher, was man Trumps Putin-Paradox nennen kann: Die Rhetorik des US-Präsidenten und die Handlungen seiner Regierung stehen in wachsendem Widerspruch zueinander.

Die Ausweisung der Diplomaten und die gleichzeitige Schließung des russischen Konsulats in Seattle sind dabei das vorläufige Ergebnis einer längeren Entwicklung. Die bilaterale Beziehung zwischen Washington und Moskau befinde sich "in einer Abwärtsspirale", sagte Angela Stent, Russland-Expertin der Georgetown-Universität, in der Washington Post. Bereits vergangenen Sommer hatte die US-Regierung die Schließung des russischen Konsulats in San Francisco angeordnet. An der Westküste sind die Russen damit offiziell nicht mehr präsent.

Trumps Verteidiger behaupten denn auch schon seit einiger Zeit, der Präsident sei "tough on Russia", er vertrete gegenüber Russland eine härtere Politik als sein Vorgänger Barack Obama. Sie verweisen dabei etwa auf die Entscheidung der US-Regierung von Ende 2017, Waffen im Wert von 47 Millionen Dollar an die Ukraine zu verkaufen. Einsetzen könnte die ukrainische Armee die 210 Raketen und 37 Raketenwerfer im seit 2014 umkämpften Osten des Landes - gegen mit Russland verbündete Separatisten. Obamas Regierung hatte sich nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten dagegen gesperrt, tödliche Waffensysteme an die Ukraine zu liefern.

Auch in Syrien hat die US-Regierung eine Konfrontation mit Russland zumindest in Kauf genommen. Das begann mit der Bombardierung eines Flugfelds des syrischen Machthabers und Putin-Verbündeten Baschar al-Assad im Frühling 2017. Und es ging weiter mit dem Luftangriff, der vergangenen Februar eine russische Söldnertruppe in Syrien traf. Mit den Sanktionen gegen 19 russische Bürger und Organisationen, die Trumps Finanzministerium vergangene Woche aussprach, hat die US-Regierung inzwischen auch auf die russischen Cyberangriffe und Beeinflussungsversuche rund um die US-Wahlen 2016 reagiert - wenn auch nur zögerlich und unter Druck des Kongresses.

"Unberechenbarer" müssten die USA werden, hat Trump gefordert. Das klappt schon recht gut

Bisher ging aber jeder dieser Schritte vonstatten, ohne dass sich Trump direkt dazu äußerte. Und so rätseln Beobachter in Washington: Gibt es eine übergreifende Strategie im Umgang mit Russland? In der nationalen Sicherheitsstrategie der Trump-Regierung wird das Land wie China als "revisionistische Macht" eingestuft, aber wie sehr sich Trumps Denken auf Strategiepapiere stützt, ist fraglich. Und so ist es vor allem die Diskrepanz zwischen Worten und Taten, die auffällt. "Die Antwort der Regierung auf die Tätigkeiten Russlands wird erst kohärent sein, wenn sie auch vom Präsidenten selber vertreten wird", sagte die frühere Spitzendiplomatin Victoria Nuland am Montag im Sender PBS.

Für Trumps Weigerung, Putin zu kritisieren, gibt es verschiedene Erklärungsversuche. Der älteste, meist psychologisierende geht zurück auf die Zeit, als Trump noch Kandidat war und offen für den russischen Machthaber schwärmte - so, wie er für viele Autokraten Bewunderung äußerte. Da fühlten sich zwei auf einer Wellenlänge, so die These, die Trump auch mit eigenen Aussagen gestützt hat, etwa als er sagte: Er werde mit Putin gut auskommen. Der Präsident glaube eben, dass eine bessere Beziehung beider Länder nur möglich sei, wenn sich das Verhältnis zwischen den beiden Politikern bessert, sagte ein US-Regierungsvertreter, nachdem Trump Putin zuletzt zu dessen Wahlsieg gratuliert hatte.

Hartnäckig hält sich dagegen auch die Vermutung, die erstmals im umstrittenen Dossier des früheren britischen Geheimdienstagenten Christopher Steele postuliert wurde. Demnach hat sich Trump gegenüber Moskau erpressbar gemacht, über geschäftliche Schulden oder auf andere Weise. Die These ist abenteuerlich, taucht aber selbst in Leitartikeln in der New York Times immer wieder mal auf. Wer es besser meint mit Trump, attestiert ihm eine ausgeklügelte Doppelstrategie: Die harte Politik seiner Regierung und der persönliche Flirt mit Putin gehen in dieser Lesart Hand in Hand. Schon frühere Präsidenten hätten mit Russland auf diese Weise "guter Polizist, böser Polizist" gespielt, sagte der Princeton-Historiker Julian Zelizer im Wall Street Journal: "Es könnte funktionieren, wenn ein Plan dahintersteckt."

Vielleicht ist es auch einfach so, dass Trump den Eindruck vermeiden will, dem Druck seiner Berater, des Polit-Establishments und der Medien nachzugeben, indem er - endlich - ein kritisches Wort zu Putin findet. In seiner ersten außenpolitischen Rede als Kandidat sagte Trump vor zwei Jahren: "Wir müssen als Nation unberechenbarer werden." Im Umgang mit Russland gelingt ihm das ganz gut.

© SZ vom 28.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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