USA:Spiel es noch einmal, Trump

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Der amerikanische Präsident Donald Trump weiß, was die 20 000 Besucher in der Toyota Arena in Houston, Texas, hören wollen – und er enttäuscht sie nicht. (Foto: Saul Loeb/AFP)

Der US-Präsident macht Wahlkampf mit denselben Themen und Tiraden wie vor zwei Jahren. Sein Kalkül: Eine aufgepeitschte konservative Basis soll ihm die Mehrheit retten.

Von Alan Cassidy, Houston

Als sie alle ihre roten Mützen geschwenkt haben, als sie die Schilder in die Luft gehalten, die Nationalhymne gesungen und den Fahneneid geleistet haben, wird es richtig laut. Lauter als die Songs von Elton John und den Rolling Stones, die bis vor Kurzem in Endlosschleife durch das Stadion dröhnten. Lauter auch als die Stimme des Pastors, der im Vorprogramm vor dem gottlosen Sozialismus warnte, der bald über die USA hereinbrechen werde. Es ist der Moment, auf den die gut 20 000 Besucher in der Toyota Arena von Houston gewartet haben: der Auftritt Donald Trumps. Und alle hier wissen, was jetzt kommt.

Keine 40 Sekunden dauert es, bis Trump an diesem Montagabend das erste Mal über die Wahl spricht. Nicht über die Wahl vom 6. November 2018, in der sich entscheidet, welche Partei künftig über den US-Kongress herrschen wird. Sondern über die Wahl vom 8. November 2016, die ihn, Donald Trump, zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gemacht hat. "Houston war gut zu mir!", sagt Trump. Jubel von der Tribüne. Kaum eine Minute später stimmt Trump den nächsten Hit im Repertoire an: den Spottgesang über die "Fake-News-Medien". Gejohle im Publikum. Bis zu Hillary Clinton, seiner Rivalin von damals, ist es dann nicht mehr weit. "Lock her up, lock her up", rufen sie auf den Rängen - sperrt sie ein.

Er hat uns "auf den Geschmack des Siegens gebracht"

Eine Trump-Rally kommt im Herbst 2018 nicht viel anders daher als vor zwei Jahren: brachial, wild, ausgelassen - und mit den immer gleichen Themen. Der Präsident ist in den vergangenen Wochen vor den Midterms so viel unterwegs wie wohl noch kein Präsident vor ihm. Fast jeden Abend tritt er irgendwo im Land auf, 17 Veranstaltungen werden es alleine im Oktober sein. Meist steht dabei ein Kandidat der Republikanischen Partei mit auf der Bühne, aber mehr als ein Grüß-August ist dieser nie. Die Leute, die diese Anlässe besuchen, stehen nicht stundenlang an, um irgendeinen Lokalpolitiker zu sehen. Sie wollen Trump. Und nur ihn.

Es sind Leute wie LaDonna Olivier. Neun Stunden dauerte die Autofahrt der pensionierten Sekretärin aus dem Westen von Texas nach Houston. Nun steht sie in der Schlange vor dem Stadion, eine zierliche Frau mit blonden Haaren in einem roten Trump-T-Shirt. Als Präsident habe Trump all das getan, was er als Kandidat versprochen hatte, sagt Olivier: Er sorge für einen Wirtschaftsboom, er schütze die religiöse Freiheit, er ernenne konservative Richter. "Trump hat uns auf den Geschmack des Siegens gebracht. Und wir mögen den Geschmack sehr." Als sie von den Verbündeten Amerikas erzählt, die dem Land viel zu lange auf der Tasche gelegen hätten, beginnt eine größere Gruppe hinter ihr damit, "build the wall" zu skandieren, baut die Mauer. Die ältere Frau schreit sofort mit. Build the wall!

Eine aufgepeitschte Basis: Das will Trump mit seinen Rallys. Deshalb die alten Tiraden, deshalb die Eskalation der vergangenen Tage, das Höhnen über die "Karawane", den Zug von Migranten, der sich von Honduras Richtung USA aufgemacht hat. "Das ist ein Angriff auf unser Land", donnert Trump an diesem Montagabend in Houston, und behauptet, hinter der Karawane steckten "die Demokraten". Kampf gegen die Einwanderung und Paranoia: Hier kommt alles zusammen.

Trumps Wahlkampfauftritte führen ihn nicht in die Vororte der großen Städte, wo vielen republikanischen Kongressabgeordneten in zwei Wochen die Abwahl droht. Denen würde er mit seiner Präsenz eher schaden. Stattdessen geht Trump meistens aufs Land, in tief konservative Wahlbezirke. Es geht ihm nicht darum, neue Wechselwähler und Moderate in umkämpften Gegenden zu gewinnen, sondern darum, seine eigene konservative Wählerkoalition von 2016 dazu zu bringen, am 6. November geschlossen an die Urne zu gehen. Seine zuletzt guten Beliebtheitswerte in den Umfragen sollen ihm dabei helfen.

Zumindest, wenn es um den Senat geht, könnte diese Strategie funktionieren. Dort sind die Republikaner in der vorteilhaften Situation, dass sie mehrere Sitze angreifen können, die derzeit von Demokraten in konservativen Bundesstaaten gehalten werden. Zugleich müssen sie aber einige Angriffe von Demokraten auf ihrem Territorium abwehren, hier in Texas etwa, wo Senator Ted Cruz in einem unerwartet engen Rennen gegen den Demokraten Beto O'Rourke steckt. Cruz hat Trump vor einigen Wochen um Unterstützung gebeten, weshalb Trump nun in Houston ist, um "meinem guten Freund Ted" zur Wiederwahl zu empfehlen. Und der bedankt sich: "Gott segne Donald Trump!"

Alle im Stadion wissen natürlich, dass das schon ganz anders klang. Dass Trump und Cruz sich 2016, als sie beide noch um die Nominierung für die republikanische Präsidentschaftskandidatur kämpften, übel beleidigten. Trump bedachte Cruz mit einem Übernamen, der an ihm hängen blieb: "Lyin' Ted", der Lügen-Ted. Er zog über das Aussehen von Cruz' Frau her und unterstellte Cruz' Vater mit wirren Aussagen, am Mord von John F. Kennedy beteiligt gewesen zu sein. Cruz wiederum bezeichnete Trump als "schluchzenden Feigling" und "pathologischen Lügner".

Die Bücher mit den gesammelten Tweets des Präsidenten verkaufen sich gut

Man kann das deshalb Heuchelei nennen, was die beide Männer auf der Bühne veranstalten. Trisha Jones sieht es anders. "Ich rechne es Cruz hoch an, dass er seinen Stolz hinuntergeschluckt hat", sagt sie. Die 55-jährige Immobilienmaklerin hat schon Stunden vor dem Auftritt einen Stand vor dem Stadion aufgebaut, an dem sie ein Buch verkauft: "Just The Tweets", Trumps gesammelte Twitter-Nachrichten, gesammelt auf 387 Seiten, gebundenes Leder, 35 Dollar pro Ausgabe. Jones, selbst Trump-Anhängerin der ersten Stunde, war mit ihrem Stand schon an acht Rallys im ganzen Land. Sie sagt: "Die Medien werden sehr überrascht sein am Wahltag. So wie letztes Mal." Jones ist überzeugt: Eine Welle zieht auf, rot wie die Farbe der Republikaner. Der Partei stehe bei den Kongresswahlen ein Triumph bevor. Sie merke das an der Begeisterung, die sie an den Trump-Rallys verspüre. Die Leute seien vielleicht nicht immer Feuer und Flamme für die örtlichen Kandidaten der Republikaner, aber sie wüssten: "Wir müssen am 6. November wählen gehen, um Trump die Mehrheit im Kongress zu sichern." Ansonsten würden die Demokraten dessen Agenda in den kommenden beiden Jahren sabotieren. "Wir hätten kein Wachstum mehr, keinen Regulierungsabbau, keine neuen Jobs. Es wäre der totale Rückschritt."

Jones' Twitter-Buch verkauft sich gut, 4000 Exemplare ist sie bereits losgeworden. Doch hier in Houston mögen nicht alle Trumps Tweets. In den Gängen des Stadions sitzt Cynthia Robinson und isst einen Burger. "Vieles an Trump ist übertrieben", sagt sie kurz vor dem Auftritt. "Aber man muss es ihm doch lassen: Er produziert Resultate." Für die 58-Jährige ist es die erste Trump-Rally. Am Morgen stellte sie ein Foto von sich auf Facebook, das sie mit "Make America Great"-Poster zeigt, was ihr böse Kommentare von ihren linksliberalen Freunden in Kalifornien eintrug. Robinson ist das egal. "Heute können wir hier alle sagen, was wir wollen", sagt sie, bevor sie aufsteht und in die Halle geht. Sie ist aufgeregt. Sie weiß, was jetzt kommt.

© SZ vom 24.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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