USA nach den Wahlen:Ende der Hybris

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Die Arroganz, mit der Bush in Washington jahrelang regierte, ist vom Wähler bestraft worden. Der Präsident ist nun wahrlich schwach.

Stefan Kornelius

Schadenfreude, eine im Amerikanischen als Lehnwort aus dem Deutschen gebräuchliche Vokabel, wird dieser Tage in weiten Teilen der Welt empfunden.

Sein Schutzmantel ist löchrig geworden: US-Präsident Bush auf einer Pressekonferenz. (Foto: Foto: AP)

George W. Bush wurde die Macht genommen - nicht durch Aufständische im Irak oder Bombenbastler in diktatorischen Regimen, sondern durch die Amerikaner selbst.

Die Wähler haben eine Phase des politischen Ausnahmezustandes beendet, und selbst wenn der Präsident nun noch zwei Jahre weiter amtiert: Seine gestalterische Kraft ist geschwunden.

Bush darf die letzte Runde auslaufen wie ein Sprinter im Stadion, der Beifall der Ränge aber gilt nicht mehr ihm.

,,Danke Amerika'', jubelt die britische Zeitung Guardian in schmalzigem Ton. Dabei muss man eher dem Präsidenten selbst danken, der von solcher Prinzipienfestigkeit ist, dass er die Warnsignale ignorierte und stur ins Verderben lief.

Rumsfelds Entlassung ist ein billiges Opfer

In den Kongresswahlen am Dienstag bestraften die Amerikaner nicht nur eine falsche Irak-Politik, Korruption im Parlament und die Ideologisierung ihres politischen und privaten Lebens. Sie bestraften vor allem die Hybris, die Arroganz, mit der in Washington über Jahre hinweg regiert wurde.

Der Irak, die Umweltpolitik, die inneren und äußeren Freiheiten, die wachsende soziale Kluft - das Land hat die von Bush nach dem 11. September 2001 erzwungene Geschlossenheit aufgebrochen. Es ist jetzt keine patriotische Pflichtverletzung mehr, wenn der Präsident geschwächt wird durch ein Votum an der Urne.

Und dieser Präsident ist nun wahrlich schwach. Bush entließ am Tag nach der Niederlage die Symbolfigur der Washingtoner Überheblichkeit: Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.

Welch hilflose Geste. Hätte Bush ein paar Wochen früher gehandelt, hätte er wenigstens noch ein paar Abgeordneten-Sitze mehr retten können. Die Entlassung nach der Wahl aber ist ein Eingeständnis der Schwäche und der Arroganz, ein billiges Opfer.

Der Präsident selbst trägt die Verantwortung für das Ergebnis, nicht der Verteidigungsminister. Jetzt ist der Schutzmantel, mit dem sich Bush umgeben hatte, löchrig geworden.

Nun zeigt sich: Das politische Zentrum der republikanischen Ideologie liegt im Weißen Haus, und die Peripherie bröckelt - zuerst die traditionellen Republikaner, dann die Neokonservativen, und schließlich die Bannerträger im Kongress und im Pentagon.

Vendetta in Washington

Amerika erlebt in diesen Tagen einen wichtigen ideologischen Umbruch, der eine Epoche beendet, die 1994 mit der Machtübernahme von Newt Gingrich im Repräsentantenhaus begonnen hatte.

Zwölf Jahre lang beherrschten die Republikaner die untere Kammer des Kongresses, mit Unterbrechung auch den Senat. In dieser Zeit setzte sich ein politischer Stil durch, der außerhalb der USA nur schwer zu vermitteln und nicht zu rechtfertigen war.

Ausdruck dieser ideologisch aufgeladenen Nahkampf-Mentalität war die Haushaltsblockade von Gingrich, die Vendetta gegen Präsident Bill Clinton, die in dem giftigen Amtsenthebungsverfahren gipfelte. Gleiches gilt für die polarisierende Wahlauseinandersetzung im Jahr 2000 mit juristischen Scharmützeln bis hin zum Obersten Gericht.

Ursache all dessen war eine Ideologisierung der gesamten Politik sowie deren Vereinnahmung durch die Religion. Das Land wurde gleichsam überflutet von diesem Gebräu aus konservativ-religiöser Weltanschauung und politischer Verbissenheit.

Amerika erlebte, massiv verstärkt durch den 11. September 2001, einen Kulturkrieg: Abtreibung, Homo-Ehe, Gentechnologie, ethische Grenzfragen der Medizin, der Streit um die Schöpfungslehre - alles wurde für die konservative Grenzziehung missbraucht.

Der 11. September trug zudem die innere Zerrissenheit des Landes nach außen: Mit uns oder gegen uns lautete die Parole des Präsidenten. Bush ließ weder Freund noch Feind die Wahl, die Spaltung erreichte mit dem Irak-Krieg die Welt.

Außenpolitik und Sicherheitsdoktrin von Bush wurden zum Spiegelbild der innenpolitischen Enge, eigentlich: der geistigen Unbeweglichkeit des Präsidenten, der dem Amt in der historischen Ausnahmesituation nach 9/11 nicht gewachsen war.

Verhöhnung der Wähler

Die Wahl am Dienstag signalisiert nun zum ersten Mal, dass die Bürger der USA genug haben von den Allmachtsphantasien ihres Präsidenten und seiner Partei, die sich zeigten in den Antiterrorgesetzen, in der Folter-Debatte, in der Ziellosigkeit im Irak.

Man musste kein Demokratietheoretiker sein, um die Verschiebung der Macht weg vom Parlament, weg von den Gerichten und hin zur Exekutive mit einem allemal übermächtigen Präsidenten zu bemerken. Der Kongress entmachtete sich seit dem 11. September selbst und schuf ein Kräftemissverhältnis in Washington, das demokratieschädlich ist. Die Wahl bietet nun die Chance zur Korrektur.

Der Präsident aber will dies offenbar nicht verstehen. Die Entlassung Rumsfelds muss man als symbolischen Akt deuten, die eigentliche Haltung Bushs offenbart sich am Arbeitsprogramm, das er dem alten Senat mit seiner republikanischen Mehrheit bis zum Amtsantritt der neuen Senatoren im Januar verordnet hat: Bush will zum Beispiel UN-Botschafter John Bolton in dieser kurzen Frist bestätigt wissen. Bolton, der bei der neuen Mehrheit keine Chance hätte, steht für die Arroganz der alten Zeit, er ist einer der wichtigsten Architekten des Irak-Krieges. Bush verhöhnt mit der Nominierung die Wähler nachträglich, belegt seine Missachtung des Parlaments und beweist erneut seine Lernunfähigkeit.

Die Causa Bolton zeigt, dass die letzten zwei Jahre des Präsidenten auf keinen Fall in der nun viel beschworenen Überparteilichkeit vorüberziehen werden. Denn nebenbei: Dies ist Amerika, und am Dienstag wurde nicht nur der Kongress gewählt, sondern auch der Präsidentschaftswahlkampf für 2008 begonnen. Dieser Wahlkampf wird ohne polarisierende Themen nicht geführt werden, die umkämpfte Mitte ist nach rechts gewandert in den vergangenen Jahren. Und das Schlamassel im Irak, das beherrschende Thema des vergangenen Wahlkampfes, bleibt der neuen demokratischen Mehrheit erhalten, ohne dass sie eine vernünftige Lösung anbieten könnte.

So sehr die Demokraten in ihrem Triumph schwelgen - die Aussicht auf den großen Preis in zwei Jahren, auf die Präsidentschaft, ist mit dem Kongress-Sieg nicht unbedingt gewachsen. Nach Jahren der ideologischen Überhitzung sehnt sich Amerika nach einer Balance und nach einem Präsidenten, der das Land nicht nur in einem Zustand von Furcht und Schrecken führen kann.

Die Zeit der Extreme, die Zeit von George W. Bush und die Ära nach dem Schock des 11. September neigt sich dem Ende zu. Amerikas Wähler beherzigen wieder die Regel, die Senator Harry Reid am Tag nach der Wahl so trefflich ausdrückte: ,,Washington in der Hand einer Partei - das funktioniert nicht.'' Reid führt die Demokraten im Senat. Die Präsidentschafts-Aspiranten seiner Partei werden die Botschaft mit Entsetzen vernommen haben.

© SZ vom 11.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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