USA:Auf Kosten der Armen und Alten

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"Der Plan der Republikaner: Werde krank. Stirb." Protest in Denver gegen Trumps Gesundheits-Konzept. (Foto: Chris Schnedier/AFP)

Donald Trumps Plan für ein neues System der Krankenversicherung würde bis 2026 jeden fünften Amerikaner schutzlos machen.

Von Sacha Batthyany, Washington

Es war eines der zentralen Wahlversprechen Donald Trumps: Er werde die Gesundheitsreform von Barack Obama rückgängig machen und durch die "beste Krankenversicherung aller Zeiten" ersetzen. Obamacare, sagte Trump, sei ein Desaster. Vor einem Monat klang der Präsident nicht mehr ganz so optimistisch.

Niemand habe damit gerechnet, wie "komplex" die Materie sei, doch sie arbeiteten fieberhaft an einem Gesetzesentwurf, der - nicht mehr der beste, sondern nur noch - "großartig" sein werde. Der Gesetzesentwurf wurde vor wenigen Tagen vorgestellt und nun von der unabhängigen Finanzkommission des US-Kongresses (CBO) geprüft. Schockierendes Fazit: Sollte Obamacare gekippt und mit der republikanischen Variante ersetzt werden, würden 14 Millionen Amerikaner im nächsten Jahr ihre Krankenversicherung verlieren - und bis 2026 sogar 24 Millionen Menschen.

Die CBO-Studie sagt voraus, dass unter dem neuen Gesetz 2026 jeder fünfte Amerikaner ohne Krankenversicherung wäre - verglichen mit jedem zehnten unter Obamacare. Die Prognose, die Montagabend veröffentlicht wurde, ist noch pessimistischer als bisherige Schätzungen. Denn auch die Prämien würden durch die Reform deutlich teurer, warnt der Bericht, zumindest in den ersten zehn Jahren.

Das Staatsdefizit würde sinken. Einzelne müssten aber bis zu 785 Prozent mehr Beitrag zahlen

Die von Obama eingeführte Verpflichtung zum Kauf einer Krankenversicherung nannten viele Republikaner von Beginn an "Gesundheitssozialismus". Sie kritisierten auch den von Obama anvisierten Ausbau von Medicaid, der staatlich subventionierten Krankenversicherung, von der Millionen arme Menschen bereits heute profitieren. Der Solidaritätsgedanke im Gesundheitssystem, in Europa seit Jahrzehnten Tradition, ist Republikanern ein Graus. Sie bevorzugen den unregulierten, unsubventionierten Versicherungsmarkt.

Fällt nun aber die von Obama eingeführte Verpflichtung weg, wie das die republikanische Variante vorsieht, "würden jüngere und gesunde Amerikaner den Versicherungsmarkt verlassen", so die CBO, worauf sich die Prämien für Ältere und Kranke erhöhen würden. "Die, die es am nötigsten hätten, trifft es am härtesten", sagte Nancy Pelosi, Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Kongress. Ähnliche Bedenken äußerten die Klinik-Industrie und die nationale Vereinigung der Ärzte und Krankenschwestern.

Paul Ryan, republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses, aber widersprach. Das neue Krankenversicherungsgesetz würde den Amerikanern mehr Möglichkeiten bieten. "Mehr Optionen führen immer zu einer Kostenreduktion", so Ryan. Noch im März werde das Abgeordnetenhaus für den "American Health Care Act" (AHCA) abstimmen, sagte Ryan und betonte, dass mit dem neuen Gesetz das US-Haushaltsdefizit bis 2026 um 337 Milliarden Dollar sinken würde. Dass die Einsparungen auf einer Kürzung der Subventionen basiert, was wiederum die Einkommensschwachen trifft, sagte er nicht.

Das neue Gesetz der Republikaner sieht vor, dass staatliche Zuschüsse nicht nach Einkommen gestaffelt werden, sondern nach Alter. Der CBO-Bericht rechnet aber vor, dass ein 64-jähriger Amerikaner, der 20 000 Dollar im Jahr verdient, mit einer Prämienerhöhung von 758 Prozent rechnen müsste. "Zu den Hauptverlierern gehören arme und ältere Menschen, also Trumps Stammwähler", schreibt die Washington Post, während Vielverdiener gewinnen würden, weil zugleich Steuern zur Finanzierung von Obamacare rückgängig gemacht werden sollen. Selbst die wertkonservative und regierungsfreundliche Newsseite Breitbart kritisierte das neue Gesetz. Es würde den Reichen nützen, der Trump-Basis schaden und zu guter Letzt die Demokraten wieder an die Macht bringen.

Donald Trump, der die "beste Krankenversicherung aller Zeiten" versprach, hielt sich mit Kommentaren überraschend zurück. Er bestehe auch nicht darauf, den neuen Gesetzesentwurf mit seinem Namen zu versehen, hieß es aus seinem Stab. Viele Kommentatoren deuteten das als Zeichen, Trump wolle sich mit dem neuen Gesetzesentwurf nicht die Finger verbrennen.

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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