US-Wahlkampf:Wer ist der neue Kennedy?

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Die Marotte der historischen Vergleiche im US-Wahlkampf treibt immer neue Blüten. Dass Barack Obama mit Kennedy verglichen wird, ist nicht neu. Aber Hillary Clinton als Sympathisantin eines "liberalen Faschismus"?

Andrian Kreye

Der Historische Vergleich ist ein rhetorischer Taschenspielertrick. Mit einem Satz lassen sich damit mehr Größe simulieren, Behauptungen aufstellen und Emotionen mobilisieren als mit jeder anderen Form der Demagogie. In Deutschland begibt man sich mit der Methode meist auf ein mediales Minenfeld. In Amerika dagegen, wo man prinzipiell stolz ist auf die Geschichte der eigenen Nation, gehören historische Vergleiche zum Standardrepertoire des politischen Diskurses.

John F. Kennedy beim Wahlkampf 1960 in Los Angeles. (Foto: Foto: AP)

Zwei Vergleiche haben nun heftige Debatten ausgelöst. Der eine ist das immer wiederkehrende Bild von Barack Obama als neuem John F. Kennedy. Das andere ist das Buch des konservativen Kommentators Jonah Goldberg, der in seinem Buch "Liberal Fascism" angebliche Gemeinsamkeiten der amerikanische Linken und des Faschismus aufdeckt. Beide Vergleiche haben das Ziel, Hillary Clinton um ihre Präsidentschaftskandidatur zu bringen. Der Kennedy-Vergleich hat ihrem Lager inzwischen mächtig Angst eingejagt.

Angebliche Gemeinsamkeiten

Dagegen ist Goldbergs Buch derzeit zwar auf Platz drei der Bestsellerliste der New York Times, wird von den Medien und Kommentatoren jedoch eher als politischer Treppenwitz behandelt. Dabei zeigt der Kennedy-Vergleich, was für eine enorme Wirkung solche Analogien entwickeln können, während Goldbergs Buch eher das Beispiel dafür ist, wie solche rhetorische Winkelzüge nach hinten losgehen, wenn man sie überspannt.

Hillary Clinton hat gute Gründe, sich vor dem Kennedy-Vergleich zu fürchten. Zum einen ist das Bild vom neuen John F. Kennedy auf dem Weg ins Weiße Haus einer der wenigen Vergleiche, dem man ein gültiges Siegel der Authentizität verleihen kann. Schon im November hatten sich rund einhundert namhafte Historiker hinter Obama gestellt. Kein anderer Demokrat habe seit Kennedy ein solches Charisma, eine solch inspirierende Wirkung auf die Jugend und eine solch klar Haltung gehabt, wie Obama, verkündeten die "Historians for Obama".

Historiker und Trunkenbolde

Nun richtet das amerikanische Wahlvolk seine Entscheidungen selten nach der Einschätzung von Professoren, die an elitären Universitäten unterrichten. Doch am Sonntag versicherte Senator Ted Kennedy Obama seine Unterstützung, und der ist immerhin der Bruder von John F. und Robert Kennedy. Auch sein Sohn Patrick und John F. Kennedy's Tochter Caroline unterstützen Obama inzwischen. Das galt als Ritterschlag.

Natürlich hinkt der Vergleich. John F. Kennedy stand als Symbol für einen ganz anderen Wandel wie der, den Barack Obama verspricht. Kennedy war der erste katholische Präsident eines protestantischen Landes, für das der Katholizismus mit seinen archaischen Riten und Hierarchien eine ähnlich exotische Einwandererreligion war wie der Islam oder auch das Judentum. Als erster Außenseiter im Präsidentenamt stand Kennedy stellvertretend für einen gesellschaftliche Fortschritt, der sich in der Bürgerrechtsbewegung seiner Zeit manifestierte.

Der Mythos "Kennedy"

Derzeit befindet sich Amerikas Gesellschaft allerdings im Rückschritt. Soziale Grenzen werden wieder schärfer gezogen, auch wenn sie nicht mehr entlang der alten Vorurteile verlaufen. Da kann Obama höchstens als Bremser auf dem Weg zum Tiefpunkt fungieren, nicht als Symbol für einen neuen Höhepunkt.

Doch bei historischen Vergleichen geht es eben nicht um Substanz, sondern um Signalwirkung. Und niemand weiß besser, wie gut das Bild vom neuen Kennedy funktioniert, als Hillary Clinton. Schließlich gewann ihr Mann Bill seine erste Amtszeit als Präsident mit genau dieser Analogie. Der Mythos "Kennedy" ist ein Symbol für Hoffnung, Gemeinsamkeit, Zukunft. Sie strahlt sogar bis Europa.

Jonah Goldbergs Vorwürfe, Hillary Clinton stünde für einen Liberalismus, der die Gesellschaft mit autoritären Strukturen zum Superkollektiv optimieren wolle, hilft ihr dagegen. Zu oft hat die Bushregierung solche historischen Analogien schon missbraucht. Nun funktionieren sie nicht mehr, denn die größte Bürde für die Republikaner ist das Debakel im Irak.

Den Krieg hat Bush seit über fünf Jahren ununterbrochen mit der Befreiung Europas vor den Nazis durch die "Greatest Generation" verglichen. Seine Redenschreiber haben Hussein auf dieselbe Stufe wie Hitler gesetzt, das Wort "Islamofaschismus" erfunden und das Bild von den Achsenmächten im Schlagwort von der Achse des Bösen wieder aufleben lassen. Und Bush lag mit diesen Texten ähnlich schief wie die Kriegsgegner mit ihren Vietnamvergleichen.

Die Wähler beider Lager vereinen

So kann auch der Faschismusvorwurf gegen Hillary Clinton nicht mehr zünden, und die "Greatest Generation" bleibt unangetastet im historischen Raum. Zu kläglich waren die Jahre ihrer Epigonen im Weißen Haus. Da nützt Bush selbst der Versuch nichts mehr, sich als Wiedergeburt von Ronald Reagan zu stilisieren.

Der gilt zwar gemeinsam mit Kennedy als einziger Präsident von Format im Weißen Haus nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei dem Vergleich könnte den Republikanern aber ein ganz anderer gefährlich werden. Ausgerechnet der berühmte konservative Kolumnist Andrew Sullivan schrieb: Ronald Reagan vereinte die amerikanischen Wähler beider Lager hinter sich. Das gleiche Potential hat auch Barack Obama.

© SZ vom 30.01.2008/stä - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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