US-Wahlkampf:Die "Post" empfiehlt Obama

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Nirgendwo fällt die Entscheidung klarer für Obama aus als bei den traditionellen Wahlempfehlungen der Presse. Nun hat sich auch die mächtige Washington Post auf seine Seite gestellt.

Ulrich von Schwerin

Der Rolling Stone war in diesem US-Wahlkampf wohl die erste amerikanische Zeitung, ihre traditionelle Wahlempfehlung abzugeben. So sicher war sich das prominente Musikmagazin ihrer Sache, dass sie sich bereits im März in einem enthusiastischen Leitartikel für Barack Obama aussprach. Danach war allerdings lange Zeit erst einmal Ruhe. Erst nun, gut zwei Wochen vor den Wahlen, kommen die meisten Zeitungen aus der Deckung. Zuletzt die Washington Post: Zwar hätten die Parteien zwei ungewöhnlich talentierte und qualifizierte Kandidaten nominiert, schreibt die liberale Zeitung am Freitag. Dennoch falle die Empfehlung der Redaktion klar für Obama aus.

Obama hat vor allem mit seiner Ruhe und seiner Umsicht überzeugt. Gerade in der aktuellen Krise, schreibt der San Fracisco Chronicle am Freitag, habe er seine Führungsqualität bewiesen. (Foto: Foto: dpa)

Die Entscheidung werde zum einen durch "McCains enttäuschende Kampagne erleichtert, vor allem seine unverantwortliche Wahl einer Vize-Kandidatin, die nicht bereit ist, Präsident zu werden", schreibt die Post. Zum anderen durch die Bewunderung, welche die Redaktion für Obama und seine "beeindruckenden Qualitäten" habe. Zwei Themen seien entscheidend: Erstens, Wohlstand zu sichern sowie Ungleichheit zu verringern. Hier sei Obama klar im Vorteil, da McCain "wenig Interesse und sichtlich kein Gefühl für Wirtschaft habe". Auch sein Plan zum Ausbau der Krankenversicherung tue zu wenig für Geringverdiener.

Zweitens, die Sicherheit der USA in einer gefährlichen Welt zu garantieren. Hier habe McCain durch seine Erfahrung einen Vorteil, aber Obama habe bewiesen, dass er bereit sei, für die Interessen der USA einzustehen und demokratische Werte zu fördern. Inhaltlich unterscheide er sich wenig von McCain, er verspreche aber eine geschicktere Diplomatie und eine engere Bindung zu den Partnern. Die Post hofft, dass Obama einen Weg "zwischen dem amoralischen Realismus seiner eigenen Partei und der kontraproduktiven Übermütigkeit der aktuellen Regierung" steuern werde.

Obamas Temperament würdigt die Washington Post, die bereits 2004 für den demokratischen Kandidaten John Kerry votiert hatte, als "anders als alles, was wir seit vielen Jahren auf der nationalen Bühne gesehen haben. Er ist bedacht, aber nicht unentschieden, eloquent, aber ein Meister von Inhalt und Detail, ungewöhnlich selbstbewusst, aber begierig andere Sichtweisen zu hören." Ihr Fazit: "Wir denken, er ist der richtige Mann in einem gefährlichen Moment."

Wenn es nach der Presse ginge, stünde der nächste Präsident laut Zählung des Branchenblatts Editor & Publisher längst fest. Von den rund 50 Publikationen, die sich bisher geäußert haben, sind 80 Prozent für Obama. McCain unterstützen abgesehen von der New York Post und dem Boston Herald nur ein paar Gratisblätter und Lokalzeitungen. Wie sinnvoll oder wirksam Wahlempfehlungen sind, bleibt indessen umstritten. Studien zeigen, dass sie keinen nennenswerten Einfluss auf die Entscheidung der Leser haben. Die wenigsten US-Zeitungen lassen es sich dennoch nehmen, eine Empfehlung zu geben.

Neben der Washington Post hat sich am Freitag auch der San Francisco Chronicle auf die Seite Obamas geschlagen. Zwar hätten beide Kandidaten in der Finanzkrise für die selbe Lösung votiert, so der Chronicle. Ihr Verhalten hätte aber unterschiedlicher kaum sein können. Während McCain seine Kampagne unterbrach, um in Washington eine Lösung zu suchen, am Ende dort aber bestenfalls eine marginale Rolle spielte, habe Obama mit Ruhe überzeugt. Mit ihrer Entscheidung für Obama folgt der Chronicle anderen publizistischen Schwergewichten wie der Seattle Times (21. September) und dem Boston Globe (13. Oktober).

Noch stehen Entscheidungen großer Zeitungen wie der New York Times aus. Eine Entscheidung für den Demokraten, wie bei der Wahl 2004, als das liberale Blatt John Kerry aufs Schild hob, ist allerdings absehbar. Ihr aktuelles Urteil über McCain fällt vernichtend aus: Nichts beschäftige die Amerikaner derzeit mehr als die Wirtschaft und gerade hier habe McCain wenig große Ideen vorzuweisen, schreibt die Times. Vielmehr tische er die alten Theorien auf, die zur aktuellen Katastrophe beigetragen haben. Alles was er zur Lösung der Krise beizutragen habe, sei die Empfehlung "Steuern senken".

Auch die konservative britische Zeitung The Times hat sich am Freitag deutlich zu Obama bekannt. Zwar würdigt sie McCain als "echten Helden", der bereits vor acht Jahren verdient hätte, Präsident zu werden. Doch habe er sich durch seine erratischen Äußerungen zur Finanzkrise, seine wütenden Auftritte in den TV-Duellen und den kaum haltbaren Vorwurf einer Terror-Verbindung Obamas als Präsident diskreditiert. Amerika stehe damit der Antritt einer linken Regierung bevor, wie sie in keinem der Industrieländer zu finden sei. So habe das Scheitern der Bush-Regierung einem echten Politikwechsel den Weg bereitet.

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