US-Wahl:Dunkle Flecken auf der ehrlichen Haut

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US-Präsidentschaftskandidat Fred Thompson galt vielen als Retter der Republikaner - doch auch sein Image ist bereits angekratzt.

Reymer Klüver

Die Schuhe! Warum musste Fred Thompson braune Slipper von Gucci tragen? Ausgerechnet auf dem State Fair, dem großen Jahrmarktsvergnügen von Iowa, wo es Buden und Bullen und Butterköniginnen zu bestaunen gibt und das Schuhwerk entsprechend ländlich sein sollte. Alle Bewerber für das Rennen um das Weiße Haus kommen traditionell auf diese Kirmes - ein Muss im Jahr vor der Präsidentschaftswahl.

Aber keinem haben sie dabei vor ein paar Wochen so genau auf die Füße geschaut wie Fred Thompson.

Das hat Gründe und lag bestimmt nicht nur daran, dass Thompson, der Schauspieler, der Senator geworden war und dann wieder Schauspieler, sich damals noch zierte, das zu sagen, was offenkundig war: Er will der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden.

An diesem Donnerstag nun holt er das nach, worauf Anhänger und Freunde so lange gewartet haben. Pünktlich um Mitternacht sollte ein viertelstündiges Video auf seiner Website freigeschaltet sein, in dem er offiziell seine Kandidatur verkündet.

Die ersten Werbespots werden im Fernsehen zu sehen sein. Und schon am Nachmittag will er wieder in Iowa sein, diesmal mit dem Wahlkampfbus, auf dem außer seinem Namen drei Worte stehen sollen: "Sicherheit. Einigkeit. Wohlstand". Das klingt nicht wirklich originell und neu. Aber es könnte genau das sein, was seine Partei - und wer weiß, vielleicht auch das Land - in diesen Zeiten braucht: das Versprechen, dass alles einfach nur besser wird.

Zumindest die Republikaner will der konservative Ex-Senator aus dem Süden retten - vor ihren eigenen Kandidaten. Denn keiner, weder New Yorks früherer Bürgermeister Rudy Giuliani noch der glatte Ex-Gouverneur Mitt Romney und schon gar nicht der alternde Senator John McCain, hat bisher die Partei begeistern können. Das trauen nicht wenige Thompson zu. Seit Juni liegt er in Umfragen ständig auf dem zweiten Platz unter den republikanischen Kandidaten - obwohl er noch gar nicht angetreten war.

Vom Tunichtgut zum Millionär

Den Republikanern geht es schlecht, ziemlich schlecht sogar. Man sieht es im Wahlkampf: Es kommen viel weniger Leute zu den Veranstaltungen als bei den Demokraten. Die republikanischen Kandidaten sammeln erheblich weniger Spenden und haben weniger Wahlhelfer als die demokratische Konkurrenz. Vor allem fallen sie in den Umfragen zurück. Und das liegt nicht allein am Krieg im Irak und dem denkbar unpopulären Präsidenten.

Die Republikaner haben wichtige Wählergruppen verloren. Die Hispanics, inzwischen die größte Minderheit im Land, haben sie mit fremdenfeindlichen Parolen in der Einwanderungsdebatte verprellt. Genauso junge Wähler. Die fanden einst den alten Ronald Reagan cool. Für ihn votierten damals 59 Prozent aller Amerikaner unter dreißig. Bei der letzten Wahl war es genau umgekehrt: Die Demokraten bekamen 60 Prozent der Stimmen. Noch nie im letzten halben Jahrhundert, schreibt Bob Novak, ein knurriger konservativer Kolumnist, sei die Moral der Partei auf so niedrigem Niveau gewesen.

In der Tat hätte Thompson, 65 Jahre alt und Vater zweier kleiner Kinder, das Zeug zum Retter seiner Partei aus ihrer Kandidatenmisere. Da ist zunächst das, was das Nachrichtenmagazin Newsweek seinen "good-ole-boy charm" nennt. Er macht im Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln Straßenwahlkampf. Männer begrüßt er mit Handschlag und rauchiger Stimme kumpelhaft als "buddy", Frauen sind für ihn alle "honeys". Er kann Kumpan und Herr zugleich sein, ein Charmeur der alten Schule.

Vor allem aber, so sagen seine Anhänger, die Fredheads, verkörpert er das, was viele in der Partei unter den bisherigen Spitzenkandidaten so schmerzlich vermissen: Er ist ein Konservativer der alten Schule. Er ist gegen Abtreibungen und für freien Waffenbesitz. Zweifel über den Krieg im Irak hat er nicht geäußert, und für ein schärferes Regime an den undichten Grenzen des Landes ist er auch.

Er will den freien Handel und sagt, dass Washington in die Schranken gewiesen werden sollte: "Zu viel Macht sollte nie in Händen eines einzelnen liegen", erklärte er neulich in einem Interview, "auch nicht in Händen des Präsidenten der Vereinigten Staaten." Das macht ihn sympathisch für traditionell regierungsskeptische Konservative.

Und er hat einen Lebenslauf, wie ihn Amerikaner lieben. Da ist ein Tunichtgut, der großgewachsen ist (über zwei Meter) und blendend aussieht, aber in der Schule faul ist und mit 17 schon Frau und Kind hat. Doch dann berappelt sich der Schlaks aus Tennessee, studiert tagsüber und arbeitet nachts, um die junge Familie zu ernähren.

Er steigt zum Staatsanwalt auf, wird aus der Provinz in die Watergate-Kommission nach Washington berufen. Macht als Anwalt und Lobbyist Millionen. Verkörpert sich selbst als Ankläger im Film und macht in Hollywood Karriere. Wird als Senator gewählt. Und nun also tritt der Sohn eines Gebrauchtwagenhändlers für das höchste Amt der Republik an.

Er ist eine Berühmtheit, ohne dass er jetzt noch viel dafür tun muss. Millionen kennen ihn: als unbestechlichen Staatsanwalt Arthur Branch aus der Fernsehserie "Law & Order", als Darsteller von CIA-Direktoren, Senatoren und US-Präsidenten. Es ist nicht wirklich Zufall, dass ihm die Regisseure immer wieder solche Rollen gegeben haben: Er sieht aus wie die Verkörperung eines Washingtoner Politikers vom alten Schlag, einem, dem man noch trauen kann.

Lobbyist der Asbestindustrie

Doch gibt es auch Zweifel, erhebliche Zweifel, ob ihm das alles so viel nützen wird. Nicht wenige glauben, dass Thompson seine Chancen verspielt hat, einfach weil er zu lange mit der Ankündigung seiner Kandidatur gewartet hat. "Er hat ganz klar das Momentum verloren, das er noch im Frühsommer hatte", sagt beispielsweise der republikanische Parteistratege Whit Ayres.

Tatsächlich hatte er ziemliche Schwierigkeiten, eine Wahlkampftruppe auf die Beine zu stellen. Sein erster Wahlkampfmanager schmiss hin, weil Thompsons 25 Jahre jüngere Frau angeblich in alles hineinregierte. Spenden flossen nicht so wie erhofft, anstatt fünf Millionen Dollar kamen nur 3,5 zusammen. Er hielt ein paar Reden, die das konservative Publikum nicht begeisterten. Und dann waren da Aussetzer wie auf dem Iowa State Fair, wo er im Golf-Cart umherfuhr und - Gucci trug.

Was an sich nicht so schlimm wäre, hätte es nicht immer wieder Versuche gegeben, sein Image als ehrliche Haut aus der Provinz zu zerstören und ihn als das darzustellen, was er ohne Zweifel auch ist: ein mit ziemlich vielen Wassern gewaschener Politiker und Lobbyist, der seine Kontakte zu den Mächtigen für Geld verkaufte.

So wurde jüngst bekannt, dass er als Lobbyist dazu beitrug, ein Entschädigungsgesetz für Asbestopfer zu verhindern. Seine anerkannte Rolle bei der Aufklärung des Watergate-Skandals wurde durch Recherchen relativiert, die offenbarten, wie loyal er fast bis zuletzt dem halbseidenen Präsidenten Richard Nixon zugearbeitet hatte.

Und zu allem kommt ein weiterer Imagefaktor, der nun in diesem langen Sommer des Wartens auf ein Wort Thompsons wieder auftauchte. Er gilt schlichtweg als ein bisschen faul. "Der Präsidentschaftswahlkampf ist der härteste Job der Welt.

Ich weiß nicht, ob er so hart arbeiten will", zitiert Newsweek einen Topberater im Weißen Haus. Das hat den Druck nur erhöht. Er müsse nun alle Erwartungen übertreffen, sagt Glenn Reynolds, ein Professor an der Universität von Tennessee: "Der September wird über alles entscheiden." Der Kandidat selbst sieht das anders. "Ich werde alles in meinem Tempo machen", sagt er, "in meinem Takt und auf meine Art."

© SZ vom 6.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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