US-Truppenabzug:Der fliegende Zirkus

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Trump ist außenpolitisch ein Ignorant. Trotzdem: Die Deutschen müssen ihre Verpflichtungen erfüllen.

Von Joachim Käppner

Zu den Lieblingsrollen des politischen Horrorclowns Donald Trump im Zirkus des amerikanischen Wahlkampfes - und für Trump ist immer Wahlkampf - gehört die beliebte Angela-Nummer. Vor der johlenden Menge seiner Anhänger ruft der US-Präsident dann: "Angela, you gotta pay! Angela, you hear me?" Änschela, du musst bezahlen, hörst du mich? Nein, die Deutschen können nicht behaupten, sie seien nicht gewarnt gewesen.

Trump will einen erheblichen Teil der verbliebenen amerikanischen Truppen aus Deutschland abziehen, und jede Kritik daran ist berechtigt: Sein Vorhaben ist Ausdruck außenpolitischer Ignoranz, schierer Rachsucht und Blindheit für das Band der Freundschaft zweier Nationen. Aber die Deutschen haben es ihm auch sehr leicht gemacht mit ihrer hartnäckigen Weigerung, ihre Verteidigungsausgaben auch nur in die Nähe jener zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu heben, auf das sich die Nato-Staaten 2014 geeinigt haben.

Dieses Ziel ist keine Erfindung von Trump. Deutschland hat es selbst und lange vor ihm mit den Partnerländern beschlossen. Beteiligt war an diesem Beschluss übrigens auch die SPD, die heute so tut, als sei es eine neue Teufelei aus dem Weißen Haus. Man kann aus guten Gründen der Meinung sein, zwei Prozent seien zu viel. Aber sie sind nun einmal da, seit der Westen 2014 unter dem Eindruck der Ukrainekrise jäh aus der lieb gewordenen Vorstellung erwachte, Krieg mitten in Europa sei nicht mehr vorstellbar. Fixiert auf die Auslandseinsätze hatten fast alle europäischen Nato-Staaten die eigentliche Aufgabe ihrer Armeen, die Bündnis- und Landesverteidigung, grob vernachlässigt. Das Zwei-Prozent-Ziel sollte also das alte transatlantische Bündnis wiederbeleben. Von der atomaren Abschreckung einmal abgesehen, waren die USA und die Bundesrepublik die beiden Pfeiler dieser Brücke über den Atlantik hinweg.

Die Amerikaner waren 1945 als Befreier gekommen, ihre vielen Soldaten brachten neben Jazz, Elvis Presley und einer ungewohnten Lässigkeit die Gewähr, "dass die Russen draußen bleiben und die Deutschen auf dem Boden", wie es der britische Nato-Generalsekretär Lord Ismay einst formulierte. Weit mehr als zwischen Rotarmisten und DDR-Bürgern entstanden zwischen Westdeutschen und Amerikanern zahllose persönliche Bindungen, sodass die deutsch-amerikanische Freundschaft, errichtet auf gemeinsamen Werten der Demokratien, nach 1945 tatsächlich viel mehr war als die Phrase aus einer Festrede. Die Erinnerung daran schwand beiderseits langsam, als nach 1989 immer mehr US-Truppen abgezogen wurden, für Trump spielt sie aber keine Rolle mehr.

Transatlantiker hüben wie drüben hoffen, dass Trumps von bösartigem Narzissmus bestimmte Amtsführung nach der Präsidentenwahl im November Geschichte sein wird und mit ihr dann auch der geplante Truppenabzug. Hoffentlich. Doch selbst dann sollten die Deutschen bedenken, dass zu einer solchen Freundschaft immer zwei gehören. Sie müssen ihre Verpflichtungen entweder erfüllen oder gemeinsam mit den USA neu definieren. Sonst kann es, selbst wenn Donalds fliegender Zirkus längst pleite gegangen ist, leicht passieren, dass ein amerikanischer Präsident vor seinen Wählern ruft: "Mrs Merkel, you gotta pay."

© SZ vom 31.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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