US-Präsidentschaftswahlkampf:Stars für den besonderen Dreh

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Vor dem "Super Tuesday" ist die Begeisterung riesig für Obama und Clinton - was auch daran liegt, dass Winfrey, Clooney und Co sie unterstützen.

Reymer Klüver

Wenn Patricia Lee Filme macht, fließt das Blut in Strömen. Macht sie Politik, gibt's Champagner. Piper-Heidsieck ist die Hausmarke bei Prizzi's, einem kleinen Ristorante, nur ein paar Blocks entfernt vom Sunset Boulevard. Gegenüber auf der anderen Straßenseite hat Tom Cruises Scientology Church ihr Celebrity Centre, ihr Gemeindezentrum für Promis und andere Menschen, eine sandsteinfarbene Burg, umstanden von himmelstrebenden Palmen.

"Kostenlose Medienaufmerksamkeit": Barack Obama lässt sich gern von Talkshow-Queen Oprah Winfrey helfen. (Foto: Foto: AP)

Und in den Felsen direkt oberhalb steht in großen, weißen Lettern der Name dieser Gegend, der schon so lange mehr ist als nur eine Ortsbezeichnung und eher ein Lebensgefühl beschreibt, eines, das wie wenig anderes in der Welt Amerika verkörpert: HOLLYWOOD.

Die Leute drängen sich in dem Lokal, wo die rot-braunen Granitplatten der Tischchen auf einem einzigen, geschwungenen Chromaganbein balancieren und die Bedienung pechschwarze Servietten austeilt. Patricia hat hierher zum ,,Champagne Brunch'' geladen.

Es ist ein Fundraiser, wie solche Partys heißen, bei denen die Menschen zahlen, um dabei zu sein: Patricia, eine Film-Cutterin, Spezialität Zombiefilme, sammelt Geld für Hillary Clinton. Zwei Glas Schampus gibt es pro Gast oder wahlweise einen Bloody Mary. Es ist zwölf Uhr mittags. Wahlkampf in Hollywood.

Wenn Titanen debattieren

Hollywood ist in diesen Wochen politisiert wie noch nie. Und das drei Wochen vor der Oscarverleihung. Anstatt nur darüber zu orakeln, ob vielleicht ,,Juno'' oder doch ,,Abbitte'' die größten Chancen für die Auszeichnung als bester Film haben, und wie viele Oscars George Clooney diesmal bekommt, ratscht Hollywood mindestens genauso aufgeregt darüber, wer nun an diesem Dienstag, da halb Amerika über die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl abstimmen wird, den großen Preis bekommt: die routinierte Hillary Clinton oder am Ende doch der shooting star der Saison, Barack Obama.

Im legendären Kodak Theatre am Hollywood Boulevard haben die beiden am Donnerstag debattiert. Dort, wo sonst der rote Teppich für die Oscarverleihung ausgerollt wird. Und die gut 3000 Tickets waren genauso heiß begehrt wie in der Oscarnacht. Die Titanen Hollywoods waren da: Steven Spielberg, der Jahrhundert-Regisseur, die lebende Musik-Legende Stevie Wonder, der unsterbliche Titanic-Held Leonardo DiCaprio.

Und all die Stars und Sternchen wie Christina Applegate oder Jason Alexander, deren Ruhm nicht ganz so zeitlos sein wird. So viel, so leidenschaftlich, so früh haben sich die celebrities, die Promis aus dem Show-Biz, nie in einem Präsidentschaftswahlkampf engagiert.

Wie in einem Brennglas bündelt Hollywood einmal mehr einen Trend im Land. Schon lange war Amerika nicht mehr mit so viel Leidenschaft auf der Suche nach der Neubesetzung im Weißen Haus. Selten kamen so viele zu Wahlveranstaltungen. Und seit Jahrzehnten nicht mehr haben sich die Menschen so anstecken lassen vom Wahlfieber-zumindest bei den Demokraten.

22 Bundesstaaten werden an diesem Dienstag abstimmen über die Kandidaten. Darunter die großen, die bevölkerungsreichen Staaten, die viele Delegierte stellen für die Parteitage im Sommer, wenn die beiden Kandidaten der Republikaner und Demokraten offiziell gekürt werden: New York und Illinois, Massachusetts und New Jersey und eben Kalifornien, der größte Bundesstaat mit den meisten Delegiertenstimmen, der Jackpot sozusagen. In Umfragen liegen hier John McCain bei den Republikanern und Hillary Clinton bei den Demokraten deutlich vorn, mit jeweils zweistelligem Vorsprung vor ihren Konkurrenten.

Aber das sagt gar nichts. Kalifornien ist Meinungsforschern ein Gräuel, weil hier die Wähler schon in letzter Minute radikal ihre Meinung geändert haben. Und nun hat auch noch das Hausblatt der Metropole, die Los Angeles Times, zur Wahl Barack Obamas aufgerufen.

Klar, Hollywoods Herz schlug immer links und für die Demokraten. Auch diesmal ist das nicht anders. Doch sind die Filmemacher und Drehbuchliteraten, die Stars und namenlosen Statisten trotzdem in zwei Lager gespalten. George Clooney zum Beispiel, der nicht nur als schönster Mann Hollywoods durchgeht, sondern vielleicht auch als politisch engagiertester, nennt Obamas Kandidatur ,,die elektrisierendste Sache für die Demokraten seit John F. Kennedy''.

Auch Oprah Winfrey, Amerikas unangefochtene Talkshow-Queen, deren Buchtipps regelmäßig Bestseller schaffen, empfiehlt nun Obama, den Mann, der wie kein anderer einen Neuanfang, einen radikalen Wandel in Stil und Ton der Politik in Washington verspricht. Er konnte mächtig rekrutieren in Hollywood.

Die LA Times hat seine Freunde aufgeführt. Der Großkomiker Eddie Murphy ist dabei, der Großschauspieler Will Smith, die Legenden Sidney Potier und Cindy Crawford. Die neuen Hollywood-Göttinnen Scarlett Johansson, Tyra Banks und Halle Barry machen mit, der Basketball-Heros Michael ,,Air'' Jordan und Oscar-Preisträger Jamie Foxx. Es ist eine lange Liste. Sie alle haben zur Wahl Obamas aufgerufen und haben gespendet (2,2 Millionen Dollar).

Hollywood und Politik
:Promis für Obama

Von George Clooney bis Colin Powell: Fast jeder, der in den USA Rang und Namen hat, spricht sich für Barack Obama als nächsten Präsidenten aus.

Clinton hält durchaus dagegen. Barbra Streisand, die große Diva, hat ihr Treue geschworen und der kleine Danny DeVito. Die Altmeister Quincy Jones und Steven Spielberg, Rob Reiner (,,Harry und Sally'') oder Soap-Opera-Star Amber Tamblyn sind nur einige der großen Namen auf ihrer Seite. 2,1 Millionen hat Clinton gesammelt. Allerdings ist es doch so, wie die LA Times maliziös anmerkt, ,,dass Obama mehr die jungen Stars mit viel Geld gewonnen hat, während Clinton die bewährten Kräfte der Demokraten anzieht''. Es ist eindeutig eine Generationenfrage: Die Jungen sind für Obama, fast ausnahmslos, die alten Hasen der Branche bei Clinton. Und es ist eine Sache der Hautfarbe: Schwarze Stars unterstützen meist Obama.

Bildstrecke
:Hillarys Starforce

Hillary Clinton ist beleidigt: Obwohl ihr Mann Bill seinerzeit der absolute Liebling der Schönen und Reichen Hollywoods war, zeigt ihr die Traumfabrik nun die kalte Schulter.

Das Figureninventar der Republikaner in Hollywood ist da deutlich übersichtlicher. Chuck Norris, der alternde Action-Star, zog wochenlang mit Mike Huckabee durch die Lande. Als ,,Chuck-und-Huck-Show'' wurde das Ganze bespöttelt. Und, nun ja, da ist noch der furchenfaltige Sylvester Stallone, der sich mit Wachstumshormonen fit gespritzt hat für die Neuauflage seiner Rambo-Rolle. Er unterstützt John McCain. Doch eigentlich geht es im Promiwahlkampf um die Demokraten, um das Duell zwischen dem Clinton-Lager und Camp Obama.

Schnitt und Szenenwechsel. Ein wenig abseits von Hollywood, auf einem Hügel zwischen der Filmstadt und dem Ozean, liegt der Campus der UCLA, der Universität von Kalifornien, ein bisschen so wie eine Festung, ein Bollwerk des Wissens in dem Häusermeer einer Stadt, die sich wie keine andere Metropole darauf verlegt hat, aus dem Leichten und Seichten, aus der Unterhaltung schweres Geld zu machen. Von hier aus beobachtet Jeffrey Lewis das Kandidatenrennen, ein blasser, junger Politologe in Jeans, schwarzem Sakko und weißem T-Shirt.

Der Wahlkampf hier, sagt er, läuft ganz anders als etwa im kleinen Neuengland-Staat New Hampshire oder im übersichtlichen Iowa im biederen Mittleren Westen des Landes. Dort hatten die Kandidaten bis Anfang Januar retail campaigning gemacht, ,,Einzelhandelswahlkampf''. Hetzten von Ort zu Ort, von Schulaula zu Turnhalle, von Wahlrede zu Wahlrede, waren persönlich ansprechbar.

Schwenk zu den Freiwilligen

Das ist vorbei. Dafür ist ein Bundesstaat wie Kalifornien mit gut 37 Millionen Einwohnern zu groß. Und die Zeit ist nicht da. Deshalb müssen Clinton und Obama, John McCain und Mitt Romney nun vor allem media campaigning machen, Wahlkampf über und mit Hilfe der Medien. In Wahlspots im Fernsehen. Doch die sind teuer. Oder aber sie setzen auf andere, die für sie Wahlkampf machen. Auf andere Politiker wie Ted Kennedy, der für Obama auf Tour ging. Oder auf Promis. ,,Das verschafft ihnen kostenlos die Medienaufmerksamkeit'', sagt Lewis.

Promihilfe im Präsidentschaftswahlkampf ist nicht wirklich neu. Sie ist so alt wie Hollywood, fast jedenfalls. Schon 1920 rekrutierte der dann siegreiche Kandidat Warren Harding, ein Republikaner übrigens, die Stummfilmstars Douglas Fairbanks und Lilian Russell. Die Starpower half ihm aber nicht recht. Er ging als einer der schlechtesten Präsidenten Amerikas in die Geschichte ein.

Später ließen Stars wie Frank Sinatra, Marlene Dietrich und Marilyn Monroe John F. Kennedys Glanz nur noch heller strahlen. Ein halbes Jahrhundert ist das fast her. Und zwanzig Jahre später waren Zsa Zsa Gabor, Dean Martin oder James Cagney zur Stelle, um ihrem alten Freund Ronald Reagan zu helfen.

Einen Unterschied zu jenen Zeiten glaubt Jeff Lewis, der Politikwissenschaftler, indes ausmachen zu können, nicht nur in Kalifornien, sondern in ganz Amerika. Politik werde in der Mediengesellschaft zunehmend schlicht als Teil der Unterhaltung wahrgenommen. ,,Für viele ist es nicht mehr wichtig, wenn die ABC-Abendnachrichten melden, dass Oprah Obama hilft. Wichtig ist, wenn die Entertainment News das bringen.'' Allerdings, räumt Lewis ein, gibt es kaum Studien über den wahren Nutzen von Promihilfe im Wahlkampf.

Sein Kollege John Zaller, nur ein paar Zimmer weiter, ist da nicht skeptisch. ,,Wenn ich Oprah dazu bringen könnte, in meine Statistik-Seminare zu kommen, wäre das doch ein toller Anreiz für meine Studenten'', sagt der Wahlanalytiker kauzig. Am Ende ist es eine sehr simple Gleichung, wenn man dem listigen Professor folgt: Je mehr Promis sich für Politiker einsetzen, desto mehr Menschen beschäftigen sich ernsthaft mit Politik.

Schwenk zu Dorothy Kozak. Es war, als George Clooney sich für Obama erklärte, dass sich die 38 Jahre alte Frau mit dem Kandidaten näher befasste-und fasziniert war. Deshalb macht sie für Obama Wahlkampf in Hollywood, in den letzten Wochen fast jeden Tag. Sie hat Zeit.

Sie ist writer, einer der Tausenden von Drehbuchautoren und Gagschreibern, die seit Wochen streiken in Hollywood, weil sie anständig bezahlt werden wollen, wenn ihre Filme und Serien im Internet weiter verwertet werden. Dorothy hat kurz vor dem Streik ihren ersten großen Coup gelandet: Sie hat der Fernsehgesellschaft NBC das Drehbuch für den Erstling einer Serie mit dem schönen Titel ,,FBI Mom'' verkauft.

Nun also sitzt sie-sie im fünften Monat schwanger-im Coffeeshop an der Ecke Hollywood Boulevard und Gramercy Place, telefoniert und lässt telefonieren. Ein gutes Dutzend Leute, fast alle unter vierzig, hockt an den schmalen Tischen, vor sich eine Liste, und das Handy am Ohr. Freiwillige sind es, so wie der junge Kerl, grauer Pulli, Jeans, Turnschuhe, der gerade hereinkommt und sich mit den Worten vorstellt: ,,Hallo, ich bin Jordan, kann ich helfen?''-,,Großartig'', sagt Dorothy da, gibt ihm eine Namensliste und ein paar Instruktionen, und schon sitzt Jordan an einem Tischchen und macht Wahlkampf.

,,Mädchen, du schaffst es!''

Telephone banking nennen sie das, Dorothy organisiert die Anrufe der Freiwillige bei potenziellen demokratischen Wählern. Mehr als 1000 allein an diesem Samstag von diesem Coffeeshop aus, 224000 sind es in ganz Kalifornien. Dorothy wählt immer nur eine Vorwahl in ihrem Handy: 323 für Hollywood. ,,Hollywood'', sagt sie, ,,das ist ein Signal, das ist von Bedeutung für den Rest der Welt. Es ist wichtig, dass Hollywood Obama wählt. Und hier leben Menschen wie wir alle. Nicht nur Promis.''

Zumindest den letzten Satz würde Patricia Lee, die Zombiefilmmacherin, wohl nicht anders formulieren. Patricia, 55 Jahre alt, ist seit Jahrzehnten im Business. Die kleine kompakte Frau hat schon mit Arnie Schwarzenegger gearbeitet, als der noch Conan, der Barbar war und nicht Republikaner und Gouverneur von Kalifornien.

Im Sommer, da war sie selbst eingeladen zu einem Fundraiser für Clinton bei Roland Emmerich, dem deutschen Regisseur. Sie war ,,die erste in der Schlange'', um der Kandidatin Glück zu wünschen, wie sie erkennbar stolz sagt mit dem großen Hillary-Button am Revers ihrer himmelblauen Bluse. Auf dem steht: ,,You go, girl!''-du schaffst es, Mädchen.

Seither ist sie im ,,California Women Council for Hillary'' und organisiert Unterstützung für Clinton auf den Hollywood Hills, in der Gegend der Reichen und Schönen und der vielen, die sich ihr Leben lang vergeblich mühen, das zu werden. ,,Unser Land und die Welt sind zu sehr in Unordnung, als dass wir uns einen Präsidenten leisten könnten, der sein Handwerk erst lernen muss.''

Als bei Prizzi's die meisten ihr zweites Gläschen getrunken haben, setzt Patricia sich eine knallrote Baseballkappe auf (mit dem Schriftzug Hillary vorne drauf) und beginnt einen Stapel ebenso roter Mappen zu verteilen. Precinct Walking Kits nennt sie die, detaillierte Wählerverzeichnisse sind es.

Jeder ihrer Partygäste-es sind wie so viele Hillary-Aktivisten fast ausnahmslos Frauen-soll ein paar Straßen übernehmen, von Apartment zu Apartment, von Haus zu Haus, von Villa zu Villa gehen, und die Leute daran erinnern, ja an diesem Dienstag wählen zu gehen. Wenn dann vielleicht wirklich High Noon ist, in Hollywood und im Rest Amerikas.

© SZ vom 4.2.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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