US-Militär in der Kritik:"Freiwilliges Fasten"

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Das US-Militär spielt den sich ausweitenden Hungerstreik in dem Gefangenenlager in Guantanamo herunter.

Reymer Klüver

Im Krieg gegen den Terror haben die USA nicht nur hochumstrittene Methoden in der Behandlung ihrer Gefangenen entwickelt. Die amerikanischen Militärs erfinden auch immer wieder eigenwilliges, schönfärberisches Vokabular für diese Praktiken.

Die Ergreifung von Terrorverdächtigen irgendwo in der Welt und ihre Entführung in ein anderes Land heißt rendition, "Überstellung". Brutale Verhörpraktiken bis hin zur Folter werden "verbesserte Vernehmungsmethoden" genannt.

In Guantanamo, dem zentralen Internierungslager für Terrorverdächtige, wird ein Hungerstreik als "freiwilliges Fasten" bezeichnet, und die zwangsweise Ernährung der Häftlinge heißt im offiziellen Militärjargon "innere Ernährung".

Hungerstreik seit August

Der Hungerstreik begann zwar bereits im August, in den vergangenen Tagen hat er sich jedoch stark ausgeweitet. Seit dem ersten Weihnachtstag verweigern weitere 46 Häftlinge die Nahrungsaufnahme, sodass sich die Zahl der Streikenden auf 84 nahezu verdoppelt hat.

Das US-Militär spricht von "freiwilligem Fasten" ohnehin erst, wenn ein Häftling neun Mahlzeiten in Folge verweigert hat.

Die Verantwortlichen spielen die Angelegenheit herunter. Die Zahl der Hungerstreikenden schwanke üblicherweise, seitdem die Aktion am 8. August begonnen habe, heißt es in einem offiziellen Kommuniqué. Der Streik sei "in Übereinstimmung mit Al-Qaida-Ausbildungsmethoden und spiegelt die Versuche der Internierten wider, die Aufmerksamkeit der Medien zu ergattern".

Im Übrigen sei schon auffällig, dass die Zahl der "Fastenden" ausgerechnet zum Jahrestag der Anschläge vom 11.September zugenommen habe, oder wenn Anwälte zum Besuch ihrer Mandanten kämen. Am 11. September hatten nach Militärangaben 131 Häftlinge die Nahrungsaufnahme verweigert. Menschenrechtsorganisationen sprechen sogar von 200.

Auch Vorwürfe, dass die Hungerstreikenden bei der Zwangsernährung misshandelt würden, wies ein Militärsprecher als "falsch und haltlos" zurück. Im Oktober hatte die Anwältin mehrerer Häftlinge vor Gericht die Art und Weise der Zwangsernährung beklagt.

Soldaten und nicht etwa geschulte Sanitäter hätten dicke Schläuche durch die Nase in den Magen ihrer Mandaten eingeführt, ohne ihnen Betäubungs- oder Beruhigungsmittel zu verabreichen. Ihre Mandanten hätten Blut gespuckt.

Der UN-Folterexperte Manfred Nowak bestätigte der BBC am Wochenende, dass er Berichte über fünf derartige Vorfälle erhalten habe. Wenn sie zuträfen, "stellt dies definitiv eine weitere Form grausamer Behandlung dar", sagte er.

Nach Einschätzung von Amnesty International zeigt der neuerliche Anstieg den Ernst der Lage für die rund 500 in Guantanamo Inhaftierten. Die Häftlinge wollten, "wenn sich an ihrer Lage nichts wahrnehmbar ändert, einfach nicht mehr leben und mit ihrem Tod ein Bekenntnis ablegen".

Manche sind offenbar tatsächlich zum Äußersten entschlossen. Der Anwalt des Bahreiners Isa Almurbati kündigte an, dass sein Mandant den Hungerstreik nur beenden werde, wenn er in seine Heimat zurückgebracht werde. Lieber wolle er sterben, "denn die Vorstellung, den Rest seines Lebens ohne Aussicht auf einen fairen Prozess in Guantanamo zu verbringen, ist ihm einfach unerträglich".

© SZ vom 2.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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