Urwahl:Die Dosis macht das Gift

Sollen CDU und SPD ihre Basis über die nächsten Kanzlerkandidaten entscheiden lassen? Es ist nicht ohne Risiko.

Von Heribert Prantl

Zu Risiken und Nebenwirkungen einer Urwahl fragen Sie - zum Beispiel Rudolf Scharping. Der wurde 1993 per Urwahl zum SPD-Chef bestimmt, Gerhard Schröder unterlag. Befriedet war nichts; die Personalquerelen waren nicht bereinigt, sie gingen erst richtig los. Zu den Risiken und Nebenwirkungen einer Urwahl kann man auch Günther Oettinger befragen. 2004 entschieden die CDU-Mitglieder in Baden-Württemberg, er solle dem Ministerpräsidenten Erwin Teufel nachfolgen; Annette Schavan unterlag. Vom Sieg Oettingers hat sich die Südwest-CDU bis heute noch nicht erholt.

Das zeigt: Eine Mitgliederabstimmung kann einer Partei aus der Verlegenheit helfen; kurzfristig kann sie eine Partei beleben und erfrischen. Langfristig kann sie aber der Partei auch schaden, weil sie womöglich zu Verletzungen führt, die schwären. Wer jetzt in der Union und der SPD für die Urwahl von Kanzlerkandidatin oder -kandidat wirbt, der muss das bedenken. Urwahl ist nicht per se gut, sie ist auch nicht per se schlecht. Es kommt auf die Dosis an und auf die Umstände und darauf, wie die Partei und die Verlierer reagieren.

Indes: Auch Wahlen und Abstimmungen der repräsentativen Demokratie bringen, wie man weiß, nicht immer optimale Ergebnisse. Man darf also der Urwahl eine

Chance geben. Sie kann Medizin sein. Sie kann Gift werden.

© SZ vom 28.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: