Urteil:Sami A. muss zurückgeholt werden

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Das Oberverwaltungsgericht verurteilt die Stadt Bochum, den nach Tunesien abgeschobenen Gefährder wieder nach Deutschland zu bringen. Bisher lässt Tunis ihn allerdings nicht ausreisen.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Der im Juli abgeschobene Islamist Sami A. muss unverzüglich aus Tunesien nach Deutschland zurückgeholt werden. Das entschied am Mittwoch das Oberverwaltungsgericht Münster. Die Richter betrachten die Vorgehensweise der Behörden als "grob rechtswidrig" und bemängeln, dass insbesondere das Ministerium von Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) dem zuständigen Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wichtige Informationen über den bevorstehenden Abschiebeflug verschwiegen hatte. Stamp war für sein Vorgehen auch von Parteifreunden zum Teil scharf kritisiert worden.

Die Richter von Nordrhein-Westfalens höchstem Verwaltungsgericht hatten ausdrücklich nicht geprüft, ob der mutmaßliche Ex-Leibwächter des früheren Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden derzeit eine Gefahr verkörpere. Auch die Frage, ob dem 42-jährigen Sami A. in Tunesien Folter drohe, war nicht Teil des Verfahrens. Das Gericht konzentrierte sich auf den genauen Ablauf der Abschiebung des in Bochum gemeldeten Tunesiers.

Die Richter monieren vor allem das Vorgehen der nordrhein-westfälischen Behörden, sie hätten bei der Abschiebung mit "halben Wahrheiten" agiert. Erstens habe das Haus von Flüchtlingsminister Stamp intern und an die Ausländerbehörde der Stadt Bochum "die Anweisung ausgegeben", weder die Anwälte von Sami A. noch das damals zuständige Verwaltungsgericht Gelsenkirchen über den Tage zuvor gebuchten Abschiebeflug zu informieren. Die Gelsenkirchener Richter hatten sich zwei Tage vor der Abschiebung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nach einer in den Akten erwähnten Flugbuchung für den 12. Juli erkundigt. Das Bamf erklärte, dieser Flug sei storniert - ohne jedoch den bereits neun Stunden später geplanten Flug zu erwähnen.

Minister Stamp hatte später im Düsseldorfer Landtag eingeräumt, seine Mitarbeiter hätten auch das Bamf im Dunkeln gelassen. Er habe Sami A. "diskret und schnell" außer Landes bringen wollen. Das ahnungslose Gericht in Gelsenkirchen hatte deshalb auf eine Eilentscheidung verzichtet und ein am Donnerstag beschlossenes Abschiebeverbot erst am Freitagmorgen mitgeteilt.

Nach Meinung des Gerichts hätte Minister Stamp zudem die Abschiebung am Freitagmorgen noch abbrechen und Sami A. unmittelbar zurück nach Deutschland bringen können. Die Grünen forderten Stamps Rücktritt. Sein Ministerium erklärte dagegen, man sei nach wie vor der festen Überzeugung, dass Sami A. in Tunesien weder gefoltert worden sei, noch ihm dort künftig Folter drohe. Damit habe sich das Gericht leider nicht auseinandergesetzt. "Unser Kurs der konsequenten Abschiebung von Gefährdern wird unverändert fortgesetzt." Die tunesische Justiz reagierte verhalten auf eine mögliche Rückholung von Sami A. "Prinzipiell liefert unser Land seine Bürger nicht aus, weil das gegen die Souveränität des Staates geht", sagte der Sprecher der für Terrorismus zuständigen Staatsanwaltschaft. Zudem gebe es weiter Ermittlungen gegen Sami A., sein Pass sei in der Hand der Behörden.

© SZ vom 16.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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