Urteil:Kükentöten wird bald verboten

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Das Bundesverwaltungsgericht sieht keinen "vernünftigen Grund", männliche Tiere umzubringen. Vorerst bleibt dies aber erlaubt.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Brutale Industrialisierung: In der Geflügelwirtschaft werden jedes Jahr Millionen männliche Küken nach dem Schlüpfen getötet. (Foto: Kuba Stezycki/imago)

Das Bundesverwaltungsgericht hat das unnötige Töten von Nutztieren aus rein ökonomischen Gründen wesentlich erschwert. Das wirtschaftliche Interesse von Brütereibetrieben allein sei kein "vernünftiger Grund", der die sofortige Tötung männlicher Küken rechtfertigen könne, heißt es in einem Grundsatzurteil. Dennoch hat das oberste Verwaltungsgericht in Leipzig es zwei Betrieben in Nordrhein-Westfalen erlaubt, vorerst weiterhin die frisch geschlüpften Küken zu töten, die für den Legebetrieb ohne Nutzen sind. Das gilt aber nur, bis alternative Methoden zur Geschlechtsbestimmung bereits im Ei zur Verfügung stehen. Angeblich stehen solche Verfahren kurz vor dem Start.

Die beiden Betriebe hatten gegen einen Erlass der damals noch rot-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen geklagt, die 2013 das massenhafte Töten männlicher Küken unterbinden wollte, dem jedes Jahr bundesweit 45 Millionen Tiere zum Opfer fallen. Grund für diese jahrzehntelange Praxis ist die Zucht getrennter Rassen für Mast und Eierproduktion. Die Männchen der "Legelinien" taugen nicht für die Fleischproduktion und sind damit wirtschaftlich nutzlos. Deshalb werden sie, nachdem sie geschlüpft sind, mit Kohlendioxid getötet.

Nach den Worten der Richter ist das ökonomische Interesse an möglichst leistungsstarken Legehennen kein "vernünftiger Grund" im Sinne des Tierschutzgesetzes, der die Tötung der mitausgebrüteten männlichen Küken rechtfertigen könnte. "Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe, aus Zuchtlinien mit hoher Legeleistung nur weibliche Küken zu erhalten", erläuterte die Senatsvorsitzende Renate Philipp. Denn bei einer solchen Produktionsweise stehe die "Nutzlosigkeit" der männlichen Küken von vornherein fest. "Dem Leben eines männlichen Kükens wird damit jeder Eigenwert abgesprochen." Das Gericht verwies ausdrücklich auf das Grundgesetz, in dem seit 2002 der Tierschutz als Staatsziel verankert ist. Nur weil der Durchbruch alternativer Methoden bevorsteht, gewährt das Gericht den Betrieben eine Übergangsfrist, um ihnen eine womöglich mehrmalige Umstellung ihrer Produktionsweise zu ersparen.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sagte nach dem Urteil, das massenhafte Töten männlicher Küken müsse "so schnell wie möglich" beendet werden. Ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung sei auf dem Weg zur Serienreife. Eine Frist nannte sie allerdings nicht. Der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) forderte den Bundesgesetzgeber deshalb auf, ein konkretes Datum festzulegen. Auch die Landwirtschaftsministerien Bayerns und Baden-Württembergs sprachen sich für einen Ausstieg aus der bisherigen Praxis aus. Nach Einschätzung der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz weist das Urteil weit über den Einzelfall hinaus. Wirtschaftliche Gründe rechtfertigen nun nicht mehr ohne Weiteres Eingriffe in das Wohl der Tiere.

© SZ vom 14.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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