Urteil:Aus für "Pegida-Galgen"

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Die Klage von Sigmar Gabriel (SPD) war erfolgreich. (Foto: dpa)

Das Landgericht Hamburg gibt Unterlassungsklage des Ex-Vizekanzlers Sigmar Gabriel statt.

Von Peter Burghardt, Hamburg

"Sie wissen alle, um welchen Galgen es geht", sagte die Vorsitzende Richterin, als sie in Raum B 335 das Urteil verkündete. Es ging um Miniaturholzgalgen, wie sie in größerer Version 2015 bei einer Pegida-Demonstration zu sehen gewesen waren. "Reserviert - Angela 'Mutti' Merkel", stand dort auf einem Zettel an einem Strick, und "Reserviert - Siegmar 'Das Pack' Gabriel" auf einem anderen. Bei letzterem war der Vorname falsch geschrieben, aber das spielt keine Rolle. Bis vor einigen Monaten hatte ein Online-Händler solche Exemplare im Angebot. Das Landgericht Hamburg gab nun am Freitag der Unterlassungsklage von Sigmar Gabriel statt, dem vormaligen Minister. Der Verkauf dieser Galgen, so die Zivilkammer, verletze Gabriels allgemeines Persönlichkeitsrecht. Und bleibt verboten.

Die Richter bestätigten damit eine einstweilige Verfügung von Dezember 2017. Bis dahin waren die Attrappen im Netz erhältlich gewesen, für 29,95 Euro, ungefähr 35 Zentimeter hoch. "Original vom Original", stand da, "bekannt aus Funk und Fernsehen." Innen auf dem Holzgestell sei "Volksverräter" zu lesen gewesen und außen "Deutschland", so das Gericht, beides in Großbuchstaben. Dazu gab es eine Gebrauchsanweisung: "Der abgebildete Galgen hat sarkastischen Charakter und soll keinen Aufruf zu Mord oder anderen Straftaten darstellen."

Dieser Zusatz änderte nichts an einem Beschluss, für den die Richter angemessen deutliche Worte fanden. Der Begriff "Volksverräter" spiele eindeutig auf die NS-Zeit an, erläuterte die Richterin. In einer längeren, schriftlichen Begründung heißt es, dies sei "ein unmittelbarer Angriff auf die Person Gabriels, dessen Hinrichtung als Volksverräter gefordert werde. Durch diese Herabwürdigung in Anspielung auf Todesurteile des Volksgerichtshofs während der NS-Zeit" werde ihm "der personale Wert schlechthin abgesprochen". Das müsse Gabriel auch als Spitzenpolitiker nicht hinnehmen. Dies gilt sicher genauso für Bundeskanzlerin Merkel, aber geklagt hatte Gabriel.

Sein allgemeines Persönlichkeitsrecht überwiege die Meinungsfreiheit, stellte das Gericht fest. Die Kritik des Beklagten an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und mithin am damaligen Vizekanzler Gabriel sei zwar durch diese Meinungsfreiheit geschützt. Auch beziehe sich das Wort "Pack" auf Gabriels Äußerungen über Demonstrationen 2015 in Heidenau, das war ein Argument der Gegenseite - Gabriel meinte allerdings eindeutig die gewalttätigen Ausschreitungen dort.

Außerdem wurde seine Rolle in der Spitzenpolitik berücksichtigt, was wohl heißen soll, dass Menschen in solchen Positionen sich manches gefallen lassen müssen. Angela Merkel kann erst recht ein Lied davon singen. Aber "die Gestaltung des Galgens" gehe trotz der Produktbeschreibung weit darüber hinaus, findet die Kammer. Da würden Hinrichtung und Tod des Klägers, also Gabriels, befürwortet. Und noch dazu wollte der Anbieter damit Geld verdienen. Er kann sich nach Ansicht der Justiz nicht auf Satire und Kunstfreiheit berufen, man erkenne keine satirischen Merkmale wie Übertreibung, Überhöhung oder Verfremdung.

Die Aufschrift "Volksverräter" deutet auf den Volksgerichtshof der Nazis hin. In diesem politischen Gericht wurden bis 1945 Tausende Widerstandskämpfer verurteilt und hingerichtet, unter ihnen die Geschwister Scholl und Helfer von Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

"1933", mahnt die Jahreszahl vor dem Hamburger Justizgebäude, in dem Gabriels Klage verhandelt wurde. Auf einem weiteren Gedenkstein steht: "Die deutsche Justiz war willfähriges Instrument der nationalsozialistischen Diktatur." Über einen Einspruch des beklagten Online-Galgen-Händlers müsste das Hanseatische Oberlandesgericht entscheiden, gleich nebenan.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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