Urlaubszeit:Nachtgruß vom Ranger

Lesezeit: 2 min

Wildcamper sind in diesem Sommer vielerorts ein Problem.

Von Hans Gasser

Die Ranger im Nationalpark Berchtesgaden staunten nicht schlecht, als sie den Grund für den aufsteigenden Rauch am Ostufer des Königssees entdeckten: ein mit Leinennachthemd und Schaffellen bekleideter junger Mann, der mitten im Schutzgebiet campiert und ein Feuer gemacht hatte. Er erhielt eine Anzeige und eine Geldbuße, genau wie die Frau, die an Verbotsschildern vorbei in den Nationalpark fuhr und ihr Zelt an einer sehr schönen Stelle aufstellte, die ein bisschen wie Kanada anmutete. Das sei "ein zunehmendes Problem", so eine Sprecherin der Nationalparkverwaltung, befeuert vom coronabedingt knappen Platz auf den Hütten und der Verbreitung von Sehnsuchtsbildern über soziale Medien.

Nicht nur das Campen, auch das Wildcampen erfreut sich in diesem Sommer, in dem viele lieber Urlaub im eigenen Land machen, höchster Beliebtheit. Von Rügen bis ins Allgäu sind Naturschutzbehörden, Ranger und immer öfter auch die Polizei im Einsatz, um illegales Campen zu ahnden. Denn generell gilt in Deutschland: Wildes Campen ist verboten. In Naturschutzgebieten sowieso, aber auch im Wald. In der freien Landschaft, also außerhalb von Wald und Ortschaften, darf man nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Grundbesitzers sein Zelt aufschlagen.

Zwar gibt es Hotspots, wie den auf 1800 Meter gelegenen Schrecksee im Allgäu, wo schon in den vergangenen Jahren verbotenerweise Zeltstädte entstanden. Das größere Problem als die wandernden Zelter sind allerdings die Campingbusse. Ihr Absatz ist coronabedingt in diesem Frühjahr explodiert, allein im Juni wurden laut Kraftfahrtbundesamt 60 Prozent mehr davon zugelassen als ein Jahr zuvor. Das eigene Bett dabeihaben, autark und großteils in der Natur zu sein, das verfängt bei vielen Großstädtern offenbar sehr stark. Weil aber die Zahl der Camping- und Wohnmobilplätze nicht gleichzeitig mitgewachsen ist, stellen sich immer mehr Menschen an schöne Parkplätze, bevorzugt in der Nähe von Seen, Meer oder Flüssen. Nicht selten entzünden sie Feuer, lassen Müll und Fäkalien zurück.

Besonders beliebt sind etwa die Halbinsel Zudar auf Rügen und andere Küstenabschnitte am Strelasund. Dort entschied sich das Ordnungsamt, die Zufahrtsstraßen zum Strand mit Betonpollern zu sperren, da man sich der vielen Campingbusse sonst nicht erwehren konnte.

Am türkisgrünen, zwischen Bergen eingebetteten Walchensee, der stark unter der Verkehrsbelastung und den Besuchermassen leidet, geht man drastisch gegen die Wildcamper vor. Naturschutzranger des Landratsamtes fahren abends und nachts den See ab, unterstützt von Feuerwehr oder Polizei. "Wir wecken die Camper auf, nehmen die Personalien auf und erteilen ihnen einen Platzverweis", sagt die Rangerin Sabine Gerg.

Diese Woche habe sie allein in einer Nacht 30 Wildcamper gefunden. Für die Ordnungswidrigkeit gibt es ein dreistelliges Bußgeld. Mehr weh tue den Campern aber, dass sie mitten in der Nacht aufbrechen und wegfahren müssen. "Ich verstehe ja, dass man lieber mit schönem Blick auf den See stehen möchte als auf einem überfüllten, offiziellen Stellplatz", so Gerg. "Aber die Natur muss sich wenigstens nachts von den vielen Besuchern erholen können."

© SZ vom 30.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: