Untersuchungsausschuss:Spätes Bedauern

Lesezeit: 1 min

Hannelore Kraft muss sich wegen der Kölner Silvesternacht rechtfertigen.

Von Bernd Dörries, Köln

Es sind Worte, die Hannelore Kraft schon an Neujahr hätte sagen sollen, spätestens aber am 4. Januar diesen Jahres. Dann hätte man sich diese ganze Veranstaltung womöglich sparen können. "Ich bedaure zutiefst, dass das geschehen konnte. Als Frau kann ich mich da hineinfühlen", sagt die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen am Freitag im Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtages, der die Vorfälle der Kölner Silvesternacht aufklären soll. Der untersuchen soll, warum es nach der Nacht knapp 1200 Anzeigen gab, davon 500 wegen sexueller Angriffe. Und warum bisher kein einziger Sexualtäter verurteilt wurde. Die Parlamentarier wollen untersuchen, wie so etwas mitten in einer großen Stadt geschehen konnte. Und warum die Ministerpräsidentin so lange zu den Vorgängen schwieg.

Die ganze Welt schaute in den Tagen nach Silvester auf Köln, die Kanzlerin äußerte sich, Donald Trump twitterte, nur Kraft schwieg. Erst am 11. Januar äußerte sich Kraft in der Talkshow Hart aber Fair in einem größeren Rahmen. Im Nachhinein, sagt Kraft am Freitag als Zeugin Nummer 70, sei es "ein Fehler" gewesen, nicht früher vor die Kameras zu treten. Sie wiederholt es in Varianten, wie schon ihr Regierungssprecher am Tag zuvor. Mit dieser Aussage könnte der Untersuchungsausschuss seine Arbeit für diesen Freitag eigentlich beenden.

Weil in Nordrhein-Westfalen aber Wahlkampf ist, fragt die CDU-Opposition noch fleißig weiter, man kann es Aktentiefseetauchen nennen. Die Opposition würde gerne Formulierungsentwürfe sehen für eine Pressemitteilung aus der Staatskanzlei und möchte wissen, wann Kraft und ihr Regierungssprecher in welche Lokalzeitung geschaut haben. Es geht auch darum, wann Kraft im Urlaub und wann beim Arzt war und andersherum. Die Urlaubsfrage ist für Kraft recht heikel, vor Jahren einmal war sie während eines schweren Unwetters mit Toten in Münster tagelang nicht zu erreichen. Die Opposition holt die Funklochaffäre in regelmäßigen Abständen heraus.

Interessanter wird es, als die CDU-Abgeordnete Ina Scharrenbach fragt, ob Kraft einmal ein Opfer jener Nacht getroffen habe. Es geht jetzt um das Image der Landesmutter, um das Bild der großen Kümmererin, das Kraft im beginnenden Landtagswahlkampf gerne wieder von sich zeichnen würde. Dieses Bild hat seinen Ursprung in Krafts bewegender Rede für die Opfer der Loveparade 2010. Und der Art, wie sie sich später um die Hinterbliebenen kümmerte. Nach der Silvesternacht fiel Kraft vor allem durch Schweigen auf.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: