Unternehmensstrategie:Wie Siemens-Chef Kaeser den Konzern umbaut

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Für Siemens-Chef Joe Kaeser geht es in China um wichtige Großaufträge – und um viele Interessen. (Foto: Stephane Mahe/Reuters)

Ein neuer Bahn-Gigant soll entstehen - und das ist nicht die erste Auslagerung einer Sparte unter Joe Kaeser. Viele fragen sich, was am Ende von dem Unternehmen übrig bleibt.

Von Thomas Fromm

Es braucht nur wenig Fantasie, um das Muster hinter den Entscheidungen von Siemens-Chef Joe Kaeser zu erkennen: das Windgeschäft - im April mit dem spanischen Konkurrenten Gamesa zusammengelegt. Es firmiert nun als Siemens Gamesa und ist in Madrid börsennotiert. Die alte Medizintechnik-Sparte - soll unter dem Namen Healthineers im kommenden Jahr an die Börse gebracht werden. Und nun die Zugsparte, die zusammen mit dem französischen Rivalen Alstom in Paris zu einem neuen Bahngiganten verschmolzen werden soll. Auslagern und trotzdem irgendwie die Mehrheit behalten, das ist die Strategie der Münchner.

Kaeser baut den Konzern um, leise zwar, aber nicht heimlich. Nur: Was wird am Ende von Siemens übrig bleiben? Eine leere Hülle? Eine Finanzholding, die lediglich Beteiligungen managt, aber keine Geschäfte mehr? Ein Verbund von weitgehend eigenständigen Einzelunternehmen mit übergeordneter Holding in München? Und vor allem: Was würde all dies für die Industriejobs bedeuten?

Bei der IG Metall, die den jüngsten Deal mit Alstom begrüßt, auch weil man dort nun eine kleine Mehrheit hält, ist man vorsichtig. "Siemens verändert sich gerade rasant", sagt Jürgen Kerner, IG-Metall-Vorstand und Siemens-Aufsichtsrat. Im Einzelfall ergäben die Schritte wie bei Gamesa oder jetzt die Fusion der Zugsparte mit Alstom zwar Sinn. "Aber am Ende dieser Entwicklung darf keine reine Finanzholding stehen", warnt der Gewerkschafter. "Deshalb muss der Siemens-Vorstand jetzt erklären, wie er sich die Unternehmenszukunft vorstellt."

Siemens und der ständige Umbau, das ist eine lange Geschichte. Die Lichtfirma Osram, der Haushaltsgerätehersteller Bosch Siemens, der Chipbauer Infineon, das Telekommunikationsgeschäft mit Handys und Netzwerken - alles war irgendwann mal profitables Kerngeschäft und gehörte zu dem, was den Konzern ausmachte. Dann musste es irgendwann halb raus oder ganz weg. "Für uns ist klar: Siemens muss seinen industriellen Kern behalten", sagt IG-Metall-Mann Kerner.

Siemens-Chef Kaeser selbst war es, der im Februar dieses Jahres das Thema Holding auf die Agenda setzte. Man müsse sich überlegen, wie groß Konzerne künftig noch sein müssten. "Heute sind wir ein einzelner Tanker, wir müssen zu einem koordinierten und leistungsfähigen Flottenverband werden." Das Bild vom Tanker und den kleinen Schnellbooten hatten schon andere bei Siemens entworfen - so schnell wie zurzeit aber hat der große Tanker noch nie seine Boote aufs Meer geschickt.

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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