Thomas Karmasin:"Das Unbehagen nimmt zu"

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Thomas Karmasin ist seit 1996 Landrat im Landkreis Fürstenfeldbruck. Der CSU-Politiker ist Vorsitzender des EU-Ausschusses des Deutschen Landkreistags. (Foto: Günther Reger)

In bayerischen Städten wird Platz für Flüchtlinge knapp. Ein Landrat sucht Lösungen.

Interview von Jan Bielicki, München

Angesichts des Zuzugs tausender Flüchtlinge sehen sich viele Landkreise an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit. In Fürstenfeldbruck bei München muss Landrat Thomas Karmasin (CSU) jede Woche Platz für 43 Neuankömmlinge finden. 2500 sind schon da.

SZ: Können Sie alle Leute unterbringen?

Thomas Karmasin: Noch geht es. Aber es ist eine ungeheure Dynamik drin. Bei den derzeitigen Zahlen brauchen wir große Einheiten, Turnhallen und Ähnliches, und müssen nehmen, was wir finden können.

Wie reagieren die Bürger im Landkreis, wenn Flüchtlinge Turnhallen belegen?

Die Bevölkerung ist insgesamt sehr hilfsbereit. Fremdenfeindliche Äußerungen höre ich so gut wie gar nicht. Allerdings nimmt das Unbehagen zu, wenn etwa die Kinder nicht mehr Sport treiben können. Und die Leute fragen uns: Wie lange dauert das und wo sollen die Menschen anschließend hin in einem der dichtest besiedelten Landkreise Bayerns, wo Wohnungen ohnehin knapp und oft teuer sind? Habt ihr einen Plan, wie es weitergeht?

Und, haben Sie einen?

Keinen, der kurzfristige Lösungen beinhaltet. Dass wir derzeit keine Perspektive haben, beunruhigt die Leute auch bei uns zunehmend.

Wo liegt die Grenze der Belastbarkeit in Ihrem Landkreis?

Da sind wir schon ganz nahe dran. Wenn die letzte Turnhalle belegt ist, ist sie weg. Ich lasse gerade prüfen, ob wir Flüchtlinge in einer Tiefgarage unterbringen können. Das wäre schon jenseits der Grenze einer vernünftigen Unterbringung, aber eben eine Möglichkeit, die Menschen vor dem Erfrieren zu schützen. Spätestens Ende des Jahres aber wäre dann wirklich Schluss, wenn es mit dem Zustrom so weitergeht.

Und dann?

Dann kann ich nur Zelte aufstellen lassen. Aber Zelte im Dezember?

Was erwarten Sie denn von Berlin?

Aus meiner Sicht gibt es keine andere Lösung, als Zuwanderer vor der Grenze, etwa in Transitzonen, abzuweisen.

Kanzlerin Angela Merkel setzt vor allem auf europäische Lösungen . .

. Alles was aus Europa kommt, dauert in der Regel lange, zumal wenn andere Länder keine Motivation haben, uns zu helfen. Von Kommunalpolitikern aus anderen EU-Staaten hört man: Ihr seid ja selber schuld, wenn ihr überall den Eindruck erweckt, zu euch kann jeder kommen, und es gibt am meisten Geld. Übrigens: Selbst wenn wir die Grenzen ab sofort schließen könnten, stehen die eigentlichen Probleme noch bevor. Jeder, der eine Ausländerbehörde leitet, weiß, wie schwierig und langwierig es ist, Leute wieder außer Landes zu bringen, auch wenn sie nicht bleiben dürfen. Machen wir uns nichts vor: Die meisten, die gekommen sind, werden bleiben. Sie werden Integration brauchen, Ausbildung und Wohnungen. Die Probleme werden gigantisch sein.

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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