Unruhe in Westerwelles FDP:Giftpfeile gegen die eigene Führung

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"Es kann passieren, dass die FDP zusammenfällt": Wolfgang Kubickis Attacken verärgern die FDP-Spitze um Guido Westerwelle. Wie einflussreich Kubicki wirklich ist - und warum ihn manche für einen Spinner halten.

Nico Fried, Berlin

Wenn man so will, liegt Wolfgang Kubicki mit 1:0 in Führung. Vor einer Woche forderte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef im Alleingang den Rausschmiss von Helmut Metzner, dem Büroleiter von Parteichef Guido Westerwelle in Berlin. Metzner hatte die amerikanische Botschaft 2009 über die Koalitionsverhandlungen detailliert informiert, sich aber zunächst nicht zu erkennen gegeben, nachdem über seine Aktivitäten berichtet worden war. Die Parteispitze behauptete zunächst, Metzner solle weiter für die FDP arbeiten, und reagierte auf Kubickis Verlangen mit Ausflüchten. Ein paar Tage später trennte sie sich dann doch von Metzner.

In Bedrängnis: Guido Westerwelle (Foto: dapd)

Jetzt trägt Kubicki den nächsten Angriff gegen die Berliner Parteiführung vor. Im Interview mit dem Spiegel verglich er die Schwierigkeiten der FDP mit dem Niedergang der DDR. Er stärkte zwar Parteichef Guido Westerwelle den Rücken, allerdings mit der Begründung, es gebe derzeit keine personelle Alternative. Zudem äußerte er harte Kritik an anderen Führungspersonen, die zu Westerwelles Vertrauten gehören, insbesondere an Fraktionschefin Birgit Homburger.

Dazu muss man wissen, dass der 58-Jährige in der FDP als Freund klarer Worte, aber auch als Mann von begrenztem Einfluss gilt. Seine Machtbasis ist Schleswig-Holstein, wo er die FDP 2009 mit erheblichem Rückenwind der Bundespartei zurück in die Landesregierung führte.

Kubicki war ein enger Freund des früheren nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Jürgen Möllemann, der 2003 bei einem Fallschirmsprung ums Leben kam und mit dem heute nicht mehr viele Liberale etwas zu tun gehabt haben wollen. Kubicki sitzt im Vorstand der Partei, sagt aber von sich, er gelte "ja nun wirklich nicht als ausgewiesener Westerwelle-Freund".

"Unter Drogen"

Hinter vorgehaltener Hand nennen manche Kubicki einen Spinner. Das liegt auch daran, dass Kubicki, der im Hauptberuf als Anwalt arbeitet, rhetorisch häufig übers Ziel hinaus schießt. Zuletzt erklärte er den Wutausbruch von Finanzminister Wolfgang Schäuble gegenüber dessen Pressesprecher Michael Offer mit dem Satz: "Der Mann steht unter Drogen." Gleichwohl treffen die Äußerungen Kubickis die Partei in einer schwierigen Phase. Der Abwärtstrend in den Umfragen ist zwar gestoppt, aber auf niedrigem Niveau. 2011 drohen Schlappen bei mehreren Landtagswahlen.

Im März gab Kubicki der Zeit ein Interview. Schon damals war er unglücklich mit dem Erscheinungsbild der FDP seit der Regierungsübernahme. Auf die Frage, ob er sich Sorgen um seine Partei mache, antwortete er: "Nein. Die Partei hat schon so viel erlebt." Neun Monate später lautet die Analyse: "Ich kann mich tatsächlich an keine Phase erinnern, in der die FDP so unter Dauerbeschuss stand und es keine Strategie zur Besserung gab. Zurzeit ist die Lage fast aussichtslos." Ihn erinnere das an die Spätphase der DDR, die irgendwann implodiert sei. "Auf einmal war sie nicht mehr da. (...) Es kann passieren, dass auch die FDP in sich selbst zusammenfällt."

"Sie sind abgehoben"

Verantwortlich für eine Partei in Auflösung sei ein Großteil der Führungsriege: "Diejenigen, die in Regierungsverantwortung in Berlin sitzen, nehmen den Zustand der Partei kaum wahr. Sie sind abgehoben von dem, was in der FDP passiert." Den Vorschlag, Parteichef Westerwelle abzulösen, nennt Kubicki aber "kontraproduktiv, solange es keine Alternative gibt". Im März hatte er das bereits ähnlich gesagt und hinzugefügt: Vier bis fünf Jahre müsse Westerwelle "mindestens noch überstehen". Jetzt erwartet Kubicki, dass Westerwelle im Falle dramatischer Niederlagen der FDP bei den Landtagswahlen 2011 nicht mehr als Parteichef kandidieren würde.

Von Generalsekretär Christian Lindner, den er im März noch als "Juwel" bezeichnet hatte, wünscht sich Kubicki eine schnellere Arbeit am neuen Grundsatzprogramm. Anders als von Lindner geplant sollten "grobe Umrisse" bereits auf dem Parteitag im Mai vorgestellt werden. "Die Menschen müssen erkennen können, dass die FDP auf das Katastrophenjahr 2010 reagiert, dass sie künftig etwas anders machen will."

Am schärfsten geht Kubicki mit Fraktionschefin Birgit Homburger ins Gericht. Sie macht er für fehlende Präsenz der FDP in wichtigen politischen Debatten verantwortlich. "Frau Homburger markiert für die FDP wahrnehmbar keine Punkte", so Kubicki. "Bei dem, was sie sagt, scheint es so zu sein, dass niemand das Bedürfnis hat, das auch zu transportieren."

Die FDP-Spitze reagierte auf die Äußerungen Kubickis verärgert. "Mit ätzender Kritik kann man vielleicht Selbstdarstellung betreiben, aber keine Probleme der FDP lösen", erklärte Lindner. "So macht man sich zum Kronzeugen der Gegner."

© SZ vom 13.12.2010/sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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