Union und SPD:Befehden statt bereden

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Gute Reformideen scheitern an Profilneurosen und unverrückbarem Parteiengut: Angesichts ungelöster Probleme wird die große Koalition zunehmend nervös.

Michael Bauchmüller

Wer hatte doch gleich behauptet, der großen Koalition werde das Regieren leichter fallen als ihrer rot-grünen Vorgängerin? Die satte parlamentarische Mehrheit mache auch schwierige Entscheidungen erst möglich?

Das alles erweist sich schon im ersten Sommer der großen Koalition als falsch. Mehrheiten in Bund und Ländern lassen sich vielleicht leichter beschaffen als unter Rot-Grün. Der Weg zu mehrheitsfähigen Beschlüssen aber ist elend weit. Alle großen Reformprojekte belegen das - ob Gesundheit, Steuern oder Föderalismus. Die Gemengelage macht das Regieren nicht einfacher. Ein deutscher Weltmeistertitel im Fußball scheint ein Kinderspiel zu sein verglichen mit den Problemen, vor denen die Koalition steht.

Riesige Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die große Koalition will die ganz großen Reformen, und sie will sie jetzt. Sie braucht sie jetzt, weil schon nächstes Jahr die vernunftgesteuerte Debatte wegen aufziehender Landtagswahlen durch Wählerfang ersetzt werden wird. Sie braucht sie rasch, weil die Sympathien für die Koalition rapide sacken. Es macht sich schlecht, erst Reformdruck aufzubauen, sich dann aber im Stückwerk zu verheddern. Forderungen aus den Ländern, die schwierige Gesundheitsreform aufzuschieben, belegen lediglich Feigheit vor dem Feind.

Es klafft eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Kaum etwas belegt das schwarz-rote Dilemma besser als die Larmoyanz von SPD-Fraktionschef Peter Struck. Er wünsche sich Gerhard Schröder zurück, den Basta-Kanzler. Dieser sei "entscheidungsfreudig" gewesen, wogegen Merkel nun eher "auslotet" - sagte Struck. Als würde einer wie er es zulassen, wenn Merkel durchgreift. Undenkbar für einen wie Struck, dass auch die Kanzlerin ,aus' und ,basta' sagt, wenn ihr die Debatten zu bunt werden. Es liegt eben in der Natur großer Koalitionen, dass sich Macht wechselseitig begrenzt. Gleichzeitig brauchen alle den Erfolg, um ihn jeweils für sich reklamieren zu können. Merkel bleibt dabei die undankbarste Aufgabe: Sie muss lenken, darf aber nicht führen. Zu starke Führung verstärkt nur den Widerstand des Koalitionspartners.

Es gibt einiges zu sanieren im Land

Wie hunderte bunter Fäden hängen gute Reformideen, Profilneurosen und unverrückbares Parteiengut vom Himmel der Koalition herab. Sie so zu verweben, dass so etwas wie ein reißfester Strang daraus wird, dafür hat die Koalition noch gut 14 Tage Zeit. Zu schaffen ist das - mit viel Fingerspitzengefühl.

Sieht man das Wort vom Sanierungsfall mal nicht so eng, dann hatte die Kanzlerin Recht: Ja, es gibt einiges zu sanieren im Land, auch wenn es lang nicht vor der Pleite steht. Wäre Deutschland aber ein Unternehmen, dann wollte niemand dort arbeiten, weil an der Spitze ein Team von Turn-around-Managern steht, das über jedes Detail des Sanierungskonzepts öffentlich streitet. Einen Misserfolg aber kann sich dieses Team nicht erlauben - sonst gibt es gleich zwei Sanierungsfälle: Land und Koalition.

© SZ vom 26.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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