Ungarn:Zaunkönig

Premierminister Orbán will für seine Zäune gegen Flüchtlinge Geld von der EU. Das ist nicht pfiffig, sondern dreist.

Von Stefan Ulrich

In Mythen und Märchen tritt der Zaunkönig gern als besonders pfiffiger und gewitzter Vogel auf. Pfiffig und gewitzt wähnt sich auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der ungekrönte Zaunkönig der Balkanroute. Seine Sperranlagen, die er 2015 trotz scharfen Protests der Europäischen Union an seiner Südgrenze errichten ließ, will er jetzt von der EU bezahlen lassen, mindestens zur Hälfte. Sein Argument: Ungarn verteidige, wieder mal, ganz Europa.

Richtig ist, dass es vielen in Europa insgeheim gelegen kommt, dass Orbán die Balkanroute blockiert und Flüchtlinge auch sonst abschreckt. Leider setzt er dabei brutale bis unmenschliche Mittel ein. So werden Asylbewerber in Ungarn derart schlecht behandelt, dass Deutschland zurzeit nicht mehr dorthin abschiebt. Auch weigert sich der Premier, einem verbindlichen Beschluss der Europäischen Union zur Verteilung von Flüchtlingen zu folgen. Ungarn hätte demnach knapp 1300 Menschen aufnehmen müssen. Tatsächlich übernahm das Land keinen einzigen; und niemanden aufzunehmen, das ist doch ein bisschen arg wenig.

Vielleicht sollte die Bundesregierung eine Gegenrechnung aufmachen und von Viktor Orbán einen Teil der Kosten erstattet verlangen, die Deutschland durch die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge im Jahr 2015 entstanden sind. Ein gutes Argument dafür gäbe es: Deutschland hat durch diese enorme Hilfeleistung Europa verteidigt - dessen Menschlichkeit und dessen Ehre.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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