Ukraine:Showdown in Kiew

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Wolodymyr Hrojsmann (rechts) ist Parlamentspräsident - und Wunschkandidat von Staatschef Petro Poroschenko für das Amt des Premiers. (Foto: Genya Savilov/AFP)

Regierungskrise in der Ukraine: Der umstrittene Generalstaatsanwalt geht, Premier Arsenij Jazenjuk vorerst nicht.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Der Dienstag würde der Tag des Showdowns sein, das hatte sich schon vor Ostern angekündigt. In der ersten Parlamentssitzung nach den Feiertagen wollte der Wunschkandidat von Präsident Petro Poroschenko, Wolodymyr Hrojsmann, im ukrainischen Parlament um Stimmen werben für seine Kandidatur als neuer Premierminister. Danach sollte sich eine neue Regierungskoalition formieren, nachdem die alte im Februar zerfallen war und die Regierung seither mit wechselnden Mehrheiten, meist aber gar nicht mehr agiert. Der Präsident hat laut Verfassung ein Durchgriffsrecht, wenn sich nach sechs Wochen keine handlungsfähige Mehrheit zusammenfindet. Am Dienstag sollte sich aber auch, das hatte sich ebenfalls über die Feiertage angedeutet, der Machtkampf um den Posten des verhassten Generalstaatsanwalts entscheiden. Viktor Schokin, ebenfalls ein Mann des Präsidenten, hatte zwar schon seinen Rücktritt angekündigt, klammerte sich aber noch an sein Amt.

Doch es kam alles anders. Erst einmal feuerte Schokin seinen Stellvertreter, den aus Georgien stammenden Star-Ermittler Davit Sakvaredlidze, der dem Generalstaatsanwalt seit längerem eine Total-Blockade der Justizreform vorwirft und vergangene Woche bei einer Demonstration mitgelaufen war, in der Staatsanwälte gegen ihren obersten Boss protestiert hatten. Nur Stunden nach dem Rauswurf von Sakvaredlidse fand sich im Parlament eine Mehrheit, um Schokin selbst aus dem Amt zu kegeln. Der hatte das offenbar gewusst, mithin noch schnell seinen ärgsten Gegner, den georgischen Reformer, kaltgestellt - nur um dann zu behaupten, er gehe gern und freue sich auf seinen Ruhestand.

Kaum waren die ersten Jubelmeldungen über das Ende des vielfach kritisierten Generalstaatsanwalts verklungen, ging der seit Monaten währende Machtkampf in der Werchowna Rada weiter. Die Abwahl Schokins war, mutmaßten politische Beobachter in Kiew, eine Konzession des Präsidentenlagers, um im Gegenzug Wolodymyr Hrojsman als neuen Premier durchzubringen, damit Poroschenkos Einfluss zu erhalten und dessen Gegenspieler kaltzustellen, den amtierenden Premier, Arsenij Jazenjuk. Allerdings ernennt laut ukrainischer Verfassung der Präsident den Generalstaatsanwalt - und damit auch den Nachfolger des Reformverweigerers Schokins. Forderungen nach einer Verfassungsänderung und einer Wahl des Generalstaatsanwalts durch das Parlament erteilte der Fraktionschef der Poroschenko-Partei denn auch umgehend eine Absage.

Der Regierungschef weigerte sich, dem Poroschenko-Vertrauten Platz zu machen

Um zwölf Uhr am Dienstag, Kiewer Zeit, wollte sich dann in der Rada eine neue Koalition zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenfinden, den alten Premier zum freiwilligen Rücktritt drängen und einen neuen wählen. Poroschenkos Kandidat Hrojsmann musste sich dafür im Prinzip gar nicht erst vorstellen - der 38-Jährige ist Parlamentspräsident und als enger Vertrauer des Präsidenten einer von dessen Strippenziehern in der Rada. Allein: Bislang ist Jazenjuk, Chef der Volksfront-Partei, einer der Wortführer des politischen Maidan und zwei Jahre lang Konkurrent des Präsidenten um die Neuausrichtung des Landes, nicht zurückgetreten. Und es sah auch später am Dienstag nicht so aus, als werde er das freiwillig tun.

Die Fraktion des Präsidenten, der Block Poroschenko, drohte also, sie werde sich einer regierungsfähigen Koalition verweigern, wenn Jazenjuk nicht selbst den Rücktritt einreiche. Im Laufe des Tages ließ dann der Chef der Radikalen Partei wissen, seine Partei werde auf keinen Fall in die Regierungskoalition zurückkehren. Die Chefin der Vaterlandspartei, Julia Timoschenko, sagte, sie kehre nur zurück, wenn zahlreiche Bedingungen erfüllt und eine Reihe ihrer Gesetzesvorhaben umgesetzt würden, worauf sich der Block Poroschenko aber nicht einlassen mochte.

Der plädierte stattdessen dafür, erst einmal ein neues Regierungsprogramm auszuarbeiten und am kommenden Dienstag ein neues Kabinett zu präsentieren. Mit Hrojsmann als Premier? Der werde noch am Abend nominiert, hieß es. Der politische Preis für diesen Schachzug wurde am Dienstag auch verhandelt. Allerdings nicht öffentlich.

© SZ vom 30.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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