Ukraine:Ein makabres Komplott

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Noch ist unklar, ob die vorge­täuschte Ermordung des russi­schen Journalisten eine dumme Posse oder ein nötiger Geheim­dienst-Coup war. Kiew muss die Beweise west­lichen Experten zur Prüfung vorlegen. Sonst bleibt dies eine bizarre Inszenierung.

Von Florian Hassel

Es hat schlechte Tradition, dass Moskau übergelaufene Spione oder Oppositionelle im Ausland ermorden lässt. Derlei Taten organisieren der Geheimdienst FSB oder der Militärgeheimdienst GRU. 2004 töteten zwei GRU-Killer in Katar den ehemaligen Separatistenführer Selimchan Jandarbijew - acht Jahre nachdem dieser in Tschetschenien Kurzzeitpräsident gewesen war. Die GRU-Mörder wurden festgenommen und von Katar nur wegen Präsident Putins beispiellosen Drucks nach Moskau abgeschoben. Berüchtigt wurde 2006 der offenbar vom FSB organisierte Giftmord an dem Ex-Spion Alexander Litwinenko in Großbritannien. Noch ungeklärt ist, wer im Juli 2016 den kritischen Reporter Pawel Scheremet in Kiew per Autobombe umbrachte.

Nun ist es denkbar, dass ein Kremlkritiker wie Arkadij Babtschenko auf Befehl Moskaus ermordet werden sollte. Allerdings müssten dafür handfeste Beweise auf den Tisch. Die aber fehlen bisher. Zwei Videos, die der ukrainische Geheimdienst SBU präsentierte, fehlt jegliche Aussagekraft. Nicht anders ist es mit jenen Dokumenten über Babtschenko, die der angebliche Mordorganisator dem angeblichen Auftragsmörder per Smartphone übermittelt haben soll. Kiew hat bisher weder gesagt, welcher Geheimdienst verantwortlich gewesen sein soll, noch den Namen des Mordorganisators genannt.

In anderen Fällen sind SBU und Generalstaatsanwalt in Kiew nicht so zimperlich: Der ehemalige Gouverneur von Odessa, Michail Saakaschwili, wurde kürzlich des versuchten Hochverrats beschuldigt. Man veröffentlichte sofort sogenannte Beweise - und warf den angeblichen Hochverräter dann kurzerhand und rechtswidrig aus dem Land.

Der Journalist Babtschenko war in Russland ein glänzender Kriegsreporter, aber auch ein entschiedener Gegner der Kriege, die Russland führte, ob in Tschetschenien oder in der Ostukraine. In letzter Zeit aber opferte er journalistische Zurückhaltung mehrmals brandstiftenden Kommentaren. Grundsätzlich stand seine Integrität zwar bisher nicht infrage. Und es gab massive Drohungen gegen ihn. Seine Darstellung der Vorgeschichte des inszenierten Mordes an ihm erscheint glaubwürdig. Dies schließt allerdings nicht aus, dass Babtschenko von Geheimdienst und Generalstaatsanwalt in Kiew für ein Schauspiel benutzt wurde.

Westliche Experten müssen Zugang zu den Beweisen haben. Kiew hat eine Bringschuld

Kiew rechtfertigt die makabre Inszenierung von Babtschenkos Ermordung mit der Notwendigkeit, nicht nur den Auftraggeber, sondern auch dessen vorgeblich russische Hintermänner zu entlarven. Belege aber bleibt die Ukraine bisher schuldig. Gewiss, ein russisches Mordkomplott wird nicht dadurch unwahrscheinlich, dass der SBU es behauptet. Im Fall des 2014 über der Ostukraine abgeschossenen Passagierfluges MH17 etwa halfen SBU und Generalstaatsanwalt, Beweise für den Abschuss durch eine russische Armeeeinheit vorzulegen. An der MH17-Untersuchung sind freilich auch Australien, Malaysia und Belgien beteiligt - und die Niederlande führen sie.

Im Fall Babtschenko sollte Kiew umgehend alle Beweise auf den Tisch legen. Kämen westliche Experten dann zum gleichen Schluss wie die Ukrainer, wäre dies ein einschneidender Beleg für die Beteiligung Moskaus. Bleiben aber die Beweise aus, so hat sich Kiew einen Bärendienst erwiesen: Jede Nachricht über Morde an Kreml-Gegnern stünde in Zukunft im Schatten der Babtschenko-Inszenierung.

© SZ vom 01.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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