U-Ausschüsse zu "Euro Hawk" und NSU-Skandal:Im Raum der Erkenntnis

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Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Raum 3.103: Hier tagte der NSU-Untersuchungsausschuss. (Foto: Stephanie Pilick/dpa)

Die Drohnen-Affäre, der NSU-Skandal und zwei sehr unterschiedliche Untersuchungsausschüsse: Mit einem solchen Gremium können Missstände noch einmal ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden. Manchmal gelingt jedoch auch echte Aufklärung jenseits aller Parteieninteressen.

Von Christoph Hickmann, Berlin, und Tanjev Schultz

Markus Grübel tut, was er tun muss. SPD, Grüne und Linke, sagt er, hätten "krampfhaft versucht, etwas zu skandalisieren und den Untersuchungsausschuss zur Wahlkampfbühne zu machen". Grübel hat den Ausschuss zur Euro-Hawk-Affäre als Obmann der Unionsfraktion bestritten, nun steht er am frühen Montagabend im Bundestag am Rednerpult. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), sagt Grübel, sei "von den Vorwürfen entlastet".

Nach Grübel tritt der Sozialdemokrat Rainer Arnold ans Rednerpult. "Dieser Minister", sagt er, "wollte die Öffentlichkeit hinter die Fichte führen, und das ist das Ergebnis des Untersuchungsausschusses".

Beide haben im selben Ausschuss gesessen, haben die selben Zeugen gehört und mutmaßlich die selben Akten gelesen. Es ist wie immer, wenn ein Untersuchungsausschuss zu Ende geht.

Wirklich, wie immer?

Montag, später Nachmittag, unmittelbar vor der Diskussion über den Euro-Hawk-Ausschuss: Der Bundestag debattiert über die Ergebnisse des NSU-Untersuchungsausschusses - und alles ist anders. Da betonen die Abgeordneten, wie gut sie zusammengearbeitet haben über Parteigrenzen hinweg.

Da lobt, kurz vor der Wahl, eine SPD-Politikerin einen CDU-Mann. Und da sagt die Linken-Politikerin Petra Pau, die Kooperation sei eine "Mut machende Erfahrung" gewesen. Sämtliche Beweisanträge haben sie einstimmig beschlossen, am Ende einigten sie sich auf 47 gemeinsame Empfehlungen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) würdigt die Arbeit am Montag "als Beispiel hoher parlamentarischer Kultur".

Hier eine Mordserie, dort ein gescheitertes Rüstungsprojekt

Es waren zwei Ausschüsse, wie sie unterschiedlicher kaum hätten verlaufen können - und das lag nicht nur daran, dass der NSU-Ausschuss 19 Monate lang arbeitete, während zwischen dem Beginn der Euro-Hawk-Affäre und der Präsentation des Berichts lediglich dreieinhalb Monate lagen. Schon die Anlässe waren völlig verschieden: Hier eine Mordserie, verbunden mit dem Verdacht, die Republik schaue weg, wenn die Opfer Ausländer sind - und dort ein gescheitertes Rüstungsprojekt, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

In der Sondersitzung des Parlaments am Montag gab es dennoch einen Berührungspunkt: Mit den Debatten über die Berichte beider Gremien setzte der Bundestag einen Schlusspunkt unter ihre Arbeit. Bundespräsident Joachim Gauck und Angehörige der Mordopfer waren während der NSU-Debatte als Zuschauer dabei.

Plastischer als durch die zeitliche Nähe der beiden Debatten hätte man kaum demonstrieren können, welche Möglichkeiten ein Untersuchungsausschuss bietet, diese häufig so schwurbelig wie euphemistisch als "schärfstes Schwert der Opposition" gerühmte Einrichtung: Man kann mit einem solchen Gremium Skandale und Missstände noch einmal ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken, zuspitzen und polarisieren - was nicht schlecht sein muss, sondern dem Bürger dabei helfen kann, sich seine Meinung zu bilden. Man kann aber auch fast ohne jede parteipolitisch motivierte Profilierung versuchen, echte Erkenntnisse zu gewinnen. Gegeneinander oder miteinander, das ist die Frage - wobei im Wesen des Untersuchungsausschusses (Schwert, Opposition) eigentlich das Gegeneinander angelegt ist.

"Kampfinstrument der Aufklärung"

Beim NSU-Ausschuss lief es von vornherein anders, weil alle Mitglieder bestürzt waren über die Verbrechen der Terroristen. Schnell war zudem klar, dass sich die Verantwortung auf viele Schultern verteilte. Die Abgeordneten wollten niemanden schonen. "Wir haben uns in die Hand versprochen: Wir arbeiten zusammen", sagt Unionsobmann Clemens Binninger in der Debatte am Montag.

So verwandelte sich der Ausschuss, wie Eva Högl (SPD) es ausdrückt, von einem Kampfinstrument der Opposition in ein "Kampfinstrument der Aufklärung". Sie bedankt sich im Plenum bei Binninger: "Ohne dich wäre mancher Kompromiss, mancher Konsens nicht möglich gewesen." Binninger hatte im Ausschuss die Aufklärung auch dann noch vorangetrieben, als plötzlich wegen der Aktenschredder-Affäre die Regierung und der amtierende Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) unter Druck gerieten. Ohne den Ausschuss wäre die "Aktion Konfetti" vielleicht nie ans Licht gekommen.

Beim Euro Hawk hingegen hatte die Opposition schon vorher nicht damit gerechnet, dass man noch welterschütternde Neuigkeiten zutage fördern würde. Immerhin fand sich in den Akten noch der eine oder andere zusätzliche Beleg dafür, dass Minister de Maizière deutlich früher als angegeben von den Problemen mit der Zulassung der Aufklärungsdrohne wusste.

Daneben konzentrierte sich die Untersuchung auf jenen für die Öffentlichkeit schwierig zu durchschauenden Bereich, in dem Rüstungsprojekte vorbereitet, vereinbart und dann mehr oder minder erfolgreich weiterverfolgt werden. Das war ambitioniert für einen Ausschuss, der in einigen Wochen durchgepeitscht wurde - und das auch noch in Wahlkampfzeiten. Gemessen daran, arbeitete der Ausschuss bemerkenswert sachorientiert. Unterschiedlicher Meinung war man dann natürlich trotzdem. Wie so oft am Ende eines Ausschusses.

© SZ vom 03.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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