Türkei:Zutiefst verwundbar

Es ist ein ungeheuerlicher Vorgang: Donald Trump droht im Streit um den Abzug aus Syrien einem Nato-Partner mit "wirtschaftlicher Zerstörung". Und der türkische Präsident Erdoğan hat tatsächlich allen Grund, sich deswegen große Sorgen zu machen.

Von Luisa Seeling

Vor ein paar Wochen sah es so aus, als könnten sich die USA und die Türkei doch noch zusammenraufen in der Syrienfrage: Die Präsidenten der beiden Länder telefonierten miteinander, kurz darauf verkündete Trump per Twitter den Abzug von US-Truppen aus Syrien, was Recep Tayyip Erdoğan als den Mann erscheinen ließ, der den Amerikanern seine Wünsche diktieren kann.

Inzwischen ist klar: Was wie eine Annäherung zwischen den beiden zerstrittenen Nato-Staaten wirkte, war wohl eher ein Missverständnis. Bis auf Weiteres hinterlassen Trumps mäandernde Rückzugspläne nichts als Fragezeichen: Wann, wer, wie schnell, unter welchen Bedingungen? Nichts davon scheint geklärt zu sein, sodass auch Erdoğan mit seinem Vorhaben, die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien anzugreifen, vorerst nicht vorankommt.

Trumps irrlichternde Außenpolitik ist für Ankara nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich. Schon einmal, als beide Länder um die Freilassung eines Priesters stritten, löste ein Tweet des US-Präsidenten in der Türkei eine Währungskrise aus. Auch diesmal gab die Lira gleich nach, als Trump per Twitter mit der "wirtschaftlichen Zerstörung" der Türkei drohte. Erdoğan hat Panzer an die syrische Grenze entsandt, um Stärke zu demonstrieren. Ökonomisch aber ist sein Land zutiefst verwundbar.

© SZ vom 15.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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