Türkei:Staat im Staate

Der Putschversuch hat das vertrauensvolle Verhältnis der Türken zu ihrer Armee grundlegend verändert.

Von Mike Szymanski

Auf Recep Tayyip Erdoğans Show-Truppe können die Türken vielleicht verzichten. Selbst sie, die Präsidentengarde, soll von den Putschisten unterwandert worden sein. Jeder Zehnte der Eliteeinheit steht unter Verdacht. Nun wird die Garde aufgelöst, das hat Premier Binali Yıldırım angekündigt. Für die Armee aber braucht die Regierung eine andere Antwort. Der Putschversuch hat eine wichtige Institution des Landes in ihre wohl größte Krise gestürzt: das Militär.

Es gab Zeiten in der Türkei, da hatten die Streitkräfte größeren Rückhalt in der Bevölkerung als jede Partei. Niemand wünscht sich diese Jahre zurück, wohl aber eine Armee, der man vertraut. Das Gefühl wurde am Abend des 15. Juli erschüttert, als Soldaten, die das Land beschützen sollen, ihre Waffen auf das Parlament richteten. Der Putschversuch verändert das Verhältnis der türkischen Gesellschaft zum Militär grundlegend.

Die unter Erdoğan begonnene Reform des Militärs ist auf halber Strecke stehengeblieben. Der jetzige Staatspräsident hatte aus Eigennutz begonnen, den Einfluss der Generäle zurückzudrängen. Sie wollten Erdoğan nicht. Deshalb nahm er ihnen Macht, bis er sich von der Armee nicht mehr bedroht fühlte. Nun zeigt sich: Die Armee hat nie wirklich aufgehört, wie ein Staat im Staate zu funktionieren. Es fehlt bis heute an wirklicher Transparenz und Kontrolle. Die Türkei braucht daher eine neue Armee.

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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