Türkei:Nicht daran gewöhnen

Die Verhaftungen sind fast Routine geworden. Das darf nicht sein.

Von Kurt Kister

Fast gewöhnt man sich daran. In der vergangenen Woche sind in der Türkei wieder 1600 Verdächtige vorgeladen worden, gut 500 von ihnen wurden verhaftet. Politikerinnen wie die stellvertretende HDP-Vorsitzende sind darunter sowie viele, denen Kontakte zur Gülen-Organisation, zu terroristischen Kurden oder zum IS vorgeworfen werden. Den Pächter einer Zeitungskantine, der gesagt haben soll, er wolle Präsident Erdoğan keinen Tee servieren, haben sie auch mitgenommen, wegen Beleidigung.

Denkt man in Erdoğans Kategorien, ist es erstaunlich, wie viele Terroristen und Staatsverräter es doch in der Türkei gibt, die ja seit Jahren von der AKP regiert wird. Entweder hat diese Regierung lange Zeit nicht mitgekriegt, was so in ihrem Land passiert. Oder sie nutzt den verwerflichen, dilettantischen Putschversuch vom Sommer eben doch dazu, nicht nur gegen Terroristen zu kämpfen, sondern alles, was es an halbwegs entschlossener Opposition gibt, kaltzustellen.

Letzteres ist wohl die Wahrheit. Und deswegen darf man sich nicht daran gewöhnen, dass neben dem legitimen Kampf gegen Bombenleger und Mörder auch Richter und Beamte, Journalisten und Künstler, Engagierte und Politiker bedroht, verhört oder eingesperrt werden. Übrigens: In keinem anderen Land Europas leben mehr Türken als in Deutschland. Das bedeutet auch, dass den Deutschen die Türkei wichtig sein muss.

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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