Türkei:Merkel ermahnt Erdoğan

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"Opposition gehört zu einer demokratischen Gesellschaft": Die Kanzlerin fordert die Türkei auf, rechtsstaatliche Prinzipien zu beachten. Sie rügt die Bespitzelung von Gülen-Anhängern in Deutschland.

Von Mike Szymanski, Ankara

Kanzlerin Angela Merkel hat bei ihrem Besuch in der Türkei an Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan appelliert, an rechtsstaatlichen Prinzipien und demokratischen Grundsätzen festzuhalten. In der Türkei müsse alles dafür getan werden, dass "die Gewaltenteilung, die Meinungsfreiheit und die Vielfalt der Gesellschaft weiter gewahrt" seien, sagte Merkel. Erdoğan will sein Volk im April in einem Referendum über den Übergang zum Präsidialsystem entscheiden lassen, das weit mehr Macht in seinen Händen konzentriert.

Seit Monaten übt seine Regierung Druck auf Gegner dieses Systemwechsels aus. Merkel sagte, sie habe Erdoğan in ihrem mehr als zweistündigen Gespräch vorgeschlagen, OSZE-Wahlbeobachter einzusetzen. Die Kanzlerin sagte nach dem Treffen im Beisein Erdoğans: "Opposition gehört zu einer demokratischen Gesellschaft dazu."

Merkels Arbeitsbesuch in der Türkei kommt in einer schwierigen Zeit. Auf den Putschversuch im Sommer vorigen Jahres hat die Regierung mit Massenentlassungen und Massenverhaftungen reagiert. 40 000 Menschen warten in Haft auf ihr Verfahren, unter ihnen Journalisten, Schriftsteller, aber auch Spitzenpolitiker wie die beiden Vorsitzenden der prokurdischen Oppositionspartei HDP.

Schwierige Partner: Kanzlerin Angela Merkel und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Donnerstag in Ankara. (Foto: Umit Bektas/Reuters)

Merkel sagte: "Wir haben gerade im Zusammenhang mit dem Putschversuch gesehen, wie sich das türkische Volk für die Demokratie eingesetzt hat." Dies müsse in der gegenwärtigen Phase "des tief greifenden politischen Umbruchs" gesichert werden. Bei der Verfolgung mutmaßlicher Putschisten warnte Merkel vor einer pauschalen Verurteilung. Schuld müsse "immer individuell festgestellt" werden.

Sie verteidigte die Entscheidung deutscher Gerichte, mutmaßliche Anhänger der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, die Ankara für den Putschversuch verantwortlich macht, unter bestimmten Bedingungen nicht nach Ankara auszuliefern. Das sei Ergebnis einer unabhängigen Prüfung durch Gerichte. Die Regierung habe dies respektiert und werde dies weiter tun. Sie ging auch auf Spionagevorwürfe gegen den in Deutschland tätigen Moscheeverein Ditib ein. Imame sollen Glaubensbrüder ausspioniert haben. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass es da Bespitzelungen gibt", sagte Merkel. Der deutsche Rechtsstaat gehe gegen Rechtsverletzungen vor. "Darauf kann sich die Türkei verlassen." Sie sicherte Erdoğan eine engere Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror zu.

Erdoğan wies die Vorwürfe zurück, er beabsichtige, die Demokratie zu schwächen. Dies werde von der Opposition im Land falsch dargestellt. Er sagte, das Volk werde über das Präsidialsystem entscheiden und er werde sich dem Ergebnis fügen. Den Anti-Terror-Kampf seiner Regierung verteidigte er. "Da können wir keine Zugeständnisse machen", sagte der Präsident.

Auch Premierminister Binali Yıldırım, den Merkel am Abend traf, lehnte eine Lockerung der Anti-Terror-Gesetze ab, wie sie die EU im Rahmen des Flüchtlingspakts mit der Türkei fordert. Merkel kam Ankara entgegen, indem sie zusagte, Deutschland werde der Türkei "500 Flüchtlinge pro Monat" abnehmen.

© SZ vom 03.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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