Türkei:Hilfe mit Bauchschmerzen

Europa unterstützt Präsident Erdoğan. Das ist nicht ideal, aber realistisch.

Von Luisa Seeling

Es läuft gut für den türkischen Präsidenten. Recep Tayyip Erdoğan ist innenpolitisch so stark wie lange nicht, seit seine AKP die Neuwahl vor zwei Wochen haushoch gewonnen hat. Und nun der G-20-Gipfel in Antalya, auf dem sich der Gastgeber kraftstrotzend präsentieren kann, weil Europa in der Flüchtlingskrise seine Hilfe braucht. Dass Ende November ein EU-Türkei-Gipfel stattfinden soll, Brüssel drei Milliarden Euro lockermachen will und die stagnierenden Beitrittsgespräche vorangetrieben werden sollen - Erfolge für Erdoğan.

Jeder Erfolg für diesen Staatschef, der sich über die Verfassung hinwegsetzt, der Grundrechte einschränken und Kritiker kaltstellen lässt, bereitet Bauchschmerzen. Und doch ist der Deal, der sich da abzeichnet, auch eine Chance. Beispiel Beitrittsverhandlungen: Die Türkei ist noch lange nicht beitrittsfähig, doch wenn wieder Kapitel geöffnet werden, muss miteinander geredet werden. Gibt es Bewegung, wächst für Ankara der Anreiz, sich Europa wieder anzunähern.

Noch wichtiger ist, dass endlich Geld in die Integration der Flüchtlinge in der Türkei fließt. Viel zu lange hat Europa das Land mit dem Problem alleingelassen. Mehr als zwei Millionen Syrer haben in der Türkei keine Perspektive, keinen legalen Zugang zum Arbeitsmarkt, Hunderttausende Kinder gehen nicht zur Schule. An dieser katastrophalen Situation wird Ankara endlich etwas ändern müssen.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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