Türkei:Gabriel bestellt Botschafter ein

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Der Außenminister drückt seine Empörung über die Verhaftung von Menschenrechtlern aus und unterbricht für weitere Beratungen seinen Urlaub.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Angesichts der jüngsten Repressalien auch gegen deutsche Staatsbürger erhöht die Bundesregierung den Druck auf die Türkei. Das Auswärtige Amt zitierte den türkischen Botschafter zum Gespräch. Man habe ihm "klipp und klar" gesagt, dass die Verhaftungen eines Deutschen und fünf weiterer Menschenrechtsaktivisten in der Türkei "nicht nachvollziehbar und auch nicht akzeptabel und schon gar nicht vermittelbar" seien, erklärte ein Sprecher am Mittwoch. Er kündigte an, dass Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) seinen Urlaub unterbreche, um am Donnerstag in Berlin über die Lage zu beraten und sich dann zu äußern. Nach Angaben des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz erwägt Gabriel eine Verschärfung der Reisehinweise zum Schutz deutscher Staatsbürger. Zuvor hatte ein türkisches Gericht gegen sechs Menschenrechtler Untersuchungshaft angeordnet, unter ihnen der Deutsche Peter Steudtner. Sie waren nach einem Seminar festgenommen worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am Dienstag die Freilassung Steudtners gefordert und den Fall als "Grund zu allergrößter Sorge" bezeichnet. Den türkischen Botschafter zum Gespräch zu zitieren war laut einem Sprecher des Auswärtigen Amtes notwendig, damit "die türkische Regierung die Empörung und das Unverständnis der Bundesregierung und die damit verbundenen glasklaren Ansagen und Erwartungen zum Fall Peter Steudtner ohne Umwege sofort und unmissverständlich erhält, und das auch ohne diplomatische Floskeln". Die Vorwürfe über Verbindungen zu terroristischen Organisationen seien "offensichtlich an den Haaren herbeigezogen". Man habe die unverzügliche Freilassung Steudtners sowie "sofortigen, ungehinderten konsularischen Zugang" gefordert. Das Verhältnis zur Türkei ist äußerst angespannt. Mehrere Deutsche sind derzeit in der Türkei inhaftiert, darunter die Journalisten Deniz Yücel und Meşale Tolu. Vor der Verhängung von Untersuchungshaft gegen Steudtner und seine Mitstreiter war bekannt geworden, dass die Türkei einen Besuch von Bundestagsabgeordneten bei deutschen Soldaten auf dem türkischen Nato-Stützpunkt Konya blockiert. Eine solche Haltung hatte bereits zum Abzug der Bundeswehr von dem türkischen Stützpunkt Incirlik geführt. Am Mittwoch wurde zudem bekannt, dass die Türkei deutsche Unternehmen wie die Konzerne Daimler und BASF der Terrorunterstützung beschuldigt. Einem Bericht der Zeit zufolge übergab Ankara deutschen Behörden eine Liste mit Namen von 68 Firmen und Einzelpersonen, die Verbindungen zu der in der Türkei als Terrororganisation eingestuften Bewegung des Predigers Fethullah Gülen haben sollen.

Die SPD versuchte, den Druck auf die Kanzlerin zu erhöhen. "Ich halte es für falsch, dass Bundeskanzlerin Merkel mit stets neuen diplomatischen Pflichtübungen den Eindruck erweckt, als ob Deutschland sich alles gefallen lässt", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Sie habe "keine Strategie" im Umgang mit Erdoğan.

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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