Türkei:Freiheit für die Meinung 

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Nach drei Monaten in Untersuchungshaft sind zwei regierungskritische Journalisten der türkischen Zeitung Cumhuriyet freigelassen worden.

Nach drei Monaten in Untersuchungshaft sind zwei regierungskritische Journalisten der türkischen Zeitung Cumhuriyet freigelassen worden. Chefredakteur Can Dündar und der Ankara-Büroleiter Erdem Gül verließen das Gefängnis in Istanbul in der Nacht zum Freitag. Zuvor hatte das Verfassungsgericht entschieden, dass unter anderem das Recht auf Meinungsfreiheit und die Persönlichkeitsrechte der beiden Journalisten verletzt wurden. Das Verfahren gegen sie wird allerdings fortgesetzt. Der Prozess soll am 25. März beginnen. Beiden droht lebenslange Haft.

Das Strafgericht in Istanbul verfügte laut Cumhuriyet, dass Dündar und Gül das Land nicht verlassen dürfen. Ihnen werden Spionage, Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Veröffentlichung geheimer Informationen vorgeworfen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan persönlich hatte Anzeige erstattet. Hintergrund war ein Bericht Dündars und Güls über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an Extremisten in Syrien.

Dündar sprach nach seiner Freilassung von einem "historischen Urteil" für die Pressefreiheit. Zugleich erinnerte er an andere Journalisten, die in der Türkei weiterhin in Haft sitzen. "Wir sind draußen, aber mehr als 30 unserer Kollegen sind drinnen", sagte Dündar. "Drinnen haben unsere Journalistenfreunde gesagt, wir sollen sie nicht vergessen." Dündar kündigte mit Blick auf den Prozess an: "Wir werden uns weiter verteidigen." Dündar spottete, seine Freilassung sei ein Geschenk zum Geburtstag Erdoğans, der am Freitag 62 Jahre alt wurde. Erdoğan hatte Dündar nach der Veröffentlichung des Berichts über angebliche Waffenlieferungen gedroht, dieser werde einen "hohen Preis" dafür bezahlen.

Erdoğans Sprecher verwies darauf, dass auch in westlichen Staaten Geheimnisverrat verfolgt werde und erinnerte an die Fälle Snowdon und Assange. Deutsche Politiker werteten die Freilassung als Zeichen der Hoffnung. Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth und der Vizevorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe, Özcan Mutlu (beide Grüne), sprachen von einem "wichtigen Signal für die Presse- und Meinungsfreiheit und gegen die politische Instrumentalisierung der Justiz" in der Türkei. "Das kann aber nur der erste Schritt sein", betonten sie. Der Deutsche Journalistenverband übte Kritik an der Bundesregierung. Es sei "ein Armutszeugnis für die politische Führung des Rechtsstaats Deutschland", dass die Regierung das Schicksal der Journalisten nicht zum Thema gemacht habe.

© SZ vom 27.02.2016 / AFP, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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