Türkei:Erdoğan will die internationale Isolation überwinden

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Sinneswandel in Ankara: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan beendet die sechsjährige Eiszeit mit Israel und äußert Bedauern über den Abschuss eines russischen Kampfjets.

Von Julian Hans, Mike Szymanski, Istanbul

Die Türkei versucht, die angeschlagenen Beziehungen zu Russland und Israel zu reparieren. Sechs Jahre nach der blutigen Erstürmung des mit Hilfsgütern für den Gazastreifen beladenen Schiffes Mavi Marmara wollen die Türkei und Israel an diesem Dienstag ein Aussöhnungsabkommen unterzeichnen, das die politische Eiszeit beendet. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ist am Mittwoch auch einen großen Schritt auf Russland zugegangen, nachdem türkische Soldaten im November 2015 einen russischen Kampfflieger abgeschossen hatten.

Erdoğan brachte dem Kreml zufolge sein tiefes Bedauern über den Vorfall zum Ausdruck und entschuldigte sich bei der Familie des getöteten Piloten. Eine Entschuldigung hatte Russland zur Bedingung für eine Aussöhnung gemacht. Moskau hatte mit harten Wirtschaftssanktionen auf den Abschuss reagiert und unter anderem den Pauschaltourismus in die Türkei gestoppt. Das macht der türkischen Wirtschaft schwer zu schaffen. Weil beide Länder jedoch wirtschaftlich stark aufeinander angewiesen sind, hatten Präsident Wladimir Putin und Erdoğan trotz verhärteter Front immer wieder auch Einigungswillen bekundet.

Die Aussöhnung mit Israel nimmt dagegen bereits konkrete Formen an. Der Vertrag sieht Entschädigungszahlungen Israels in Höhe von 20 Millionen Dollar für die Hinterbliebenen der insgesamt zehn getöteten Besatzungsmitglieder der Mavi Marmara vor, Investitionen in Infrastrukturprojekte im Gazastreifen sowie Hilfslieferungen. So rasch wie möglich sollen auch wieder Botschafter in das jeweils andere Land entsandt werden.

Der türkische Regierungschef Binali Yıldırım sprach am Montag in Ankara von einer Lösung zum Wohle beider Länder. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bewertet das Versöhnungsabkommen mit der Türkei als strategisch wichtigen Schritt. Die Vereinbarung könne zu einer Beruhigung in Nahost beitragen, der "in Aufruhr" sei, sagte Netanjahu in Rom. Dort waren die Gespräche am Sonntag in die Schlussrunde gegangen.

Die Türkei habe sich verpflichtet, von Klagen gegen israelische Soldaten abzusehen, sagte der Regierungschef. Die Seeblockade des Gazastreifens werde aufrechterhalten. Man werde jedoch den Transport von Hilfsgütern über den Hafen von Aschdod in die Palästinenserenklave ermöglichen. Bereits am Freitag soll in der türkischen Hafenstadt Mersin das erste mit Hilfsgütern beladene Schiff ablegen. Yıldırım sprach von zunächst 10 000 Tonnen an Hilfsgütern. Zudem werde im Gazastreifen ein Krankenhaus errichtet, die Strom- und Wasserversorgung soll ausgebaut werden. Netanjahu betonte, dies sei auch "ganz klar in Israels Interesse". Teil der Vereinbarung sei auch eine Zusage der Türkei, Terroraktionen der radikal-islamischen Hamas von türkischem Boden aus zu verhindern. Yıldırım sagte, den Erfolg des Abkommens werde man an der Umsetzung bemessen. Die Türkei habe all ihre Forderungen durchgesetzt.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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