Türkei:Erdoğan kündigt Vergeltung an

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"Die Urheber des Anschlags werden einen hohen Preis zahlen", sagt der türkische Präsident. Die kurdische Splittgruppe Tak bekennt sich zum Terror von Istanbul.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Eine Splittergruppe der kurdischen Terrororganisation PKK hat sich am Sonntag zum Anschlag in Istanbul bekannt, bei dem 38 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden. Extremisten der Tak, der "Freiheitsfalken Kurdistans", erklärten, sie hätten Rache für das militärische Vorgehen des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung im Südosten der Türkei nehmen wollen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan drohte am Sonntag mit Vergeltung. "Unser Volk soll keinen Zweifel haben, dass wir den Kampf gegen die Terrorplage bis zum Ende fortsetzen." Die Urheber des Anschlags würden "einen hohen Preis" bezahlen.

Gegen 22.30 Uhr am Samstag waren am Stadion des türkischen Fußball-Erstligisten Beşiktaş zwei Sprengsätze in die Luft geflogen. Dem Innenministerium zufolge seien 13 Personen im Zusammenhang mit der Tat festgenommen worden. Diese habe Polizeibeamten gegolten. Unter den Todesopfern seien 30 Polizisten. Das Attentat ereignete sich mehr als eine Stunde nach dem Schlusspfiff. Eine Autobombe explodierte direkt bei einer Einheit der Bereitschaftspolizei. Kurz darauf zündete ein Selbstmordattentäter in einem angrenzenden Park einen zweiten Sprengsatz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem "menschenverachtenden Terroranschlag". Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußerte sich "erschüttert" über die Attentate. "Besonders perfide ist: Diese Taten sollten so viele Menschen wie möglich treffen", erklärte er in Berlin. Das Auswärtige Amt empfahl Reisenden in Istanbul, vorerst in ihren Hotels und Unterkünften zu bleiben.

Das Verbrechen ereignete sich just an jenem Tag, an dem die Regierung in Ankara einen Entwurf für eine Verfassungsänderung ins Parlament eingebracht hat. Staatspräsident Erdoğan strebt den Wechsel zum Präsidialsystem an, das ihm formell weitreichende Befugnisse einräumen soll. Das Vorhaben ist in der türkischen Politik höchst umstritten. Während Erdoğan Stunden vor dem Attentat vom Beginn einer "neuen Ära" sprach und seine Regierung politische Stabilität verspricht, kritisierten zwei der drei Oppositionsparteien das Vorhaben als Schritt in Richtung einer Diktatur. Um den Systemwechsel durchzusetzen, ist Erdoğan im Parlament auf die Stimmen der ultranationalistischen MHP angewiesen. Zusammen mit ihr könnte die Regierungspartei auf die für ein Referendum erforderlichen 330 Stimmen kommen. MHP-Chef Devlet Bahçeli hat seine Zustimmung signalisiert. Im Anti-Terrorkampf verfolgen beide Parteien ähnliche Strategien. Dennoch gibt es in der kleinen Partei Vorbehalte, Erdoğan mit derart viel Macht auszustatten. Wichtige Justizgremien soll er dem Entwurf zufolge teils zur Hälfte mit seinen Kandidaten besetzen können. Als Präsident soll er wieder einer Partei angehören dürfen. Im Zusammenspiel mit seinen angestrebten Befugnissen als Präsident dürfte Erdoğan politisch dann kaum noch zu bremsen sein, wenn das neue System wie geplant 2019 wirksam wird.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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