Türkei:Ein Signal

Das Verfassungsgericht befreit zwei Journalisten. Wirklich?

Von Mike Szymanski

Die türkische Justiz ist dem Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan für gewöhnlich gern zu Diensten. Womöglich ist das auch dieses Mal so, selbst wenn das auf den ersten Blick nicht so erscheint: Am Freitag durften der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, und ein Kollege nach drei Monaten Untersuchungshaft das Gefängnis verlassen. Das Verfassungsgericht hatte geurteilt, dass ihnen Unrecht widerfährt.

Die Journalisten hatten in Berichten eine Beteiligung des türkischen Geheimdienstes MIT an Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien nahegelegt. Doch anstatt aufzuklären, drohte Erdoğan persönlich: Dündar werde noch einen hohen Preis dafür bezahlen. Wegen des Terror- und Spionagevorwurfs stehen die Journalisten unter Anklage. Der U-Haft, die Teil der Abrechnung war, haben nun die Richter ein Ende gesetzt. Und es wäre ein Lichtblick, wenn das bedeuten würde, dass sich die Justiz doch noch nicht völlig dem Willen Erdoğans unterworfen hat.

Doch es ist auch gut möglich, dass die Justiz ganz im Sinne der Politik ein anderes Signal senden will: So furchtbar unrechtmäßig, wie der Westen immer behauptet, geht es in der Türkei gar nicht zu. In der Flüchtlingskrise ist Europa auf die Hilfe Ankaras angewiesen. Kanzlerin Angela Merkel hat ihr politisches Schicksal an diesen schwierigen Partner geknüpft. Da kommt eine versöhnliche Botschaft gerade recht. Wirklich frei sind die Journalisten deshalb noch lange nicht.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: